Geografie Städte besser planen mit Virtueller Realität
Wie sich bauliche Veränderungen auf Menschen auswirken, kann man durch das Eintauchen in virtuelle Modelle messen.
Wie soll die Stadt aussehen, in der wir leben? Wie wirken sich bauliche Änderungen auf die Menschen aus, die sich darin bewegen? Um das zu untersuchen, bevor viel Geld für Baumaßnahmen ausgegeben wird, nutzen Kartografen der Ruhr-Universität Bochum Virtual-Reality-Anwendungen. Mithilfe der Game Engine „Unity“ bauen sie Szenarien in 3D nach, in denen man mögliche Veränderungen immersiv erleben kann. Dass die körperliche Reaktion auf dieses Erleben messbar ist, konnten sie nachweisen. Julian Keil und Marco Weißmann aus dem Team von Prof. Dr. Frank Dickmann berichten im KN – Journal of Cartography and Geographic Information vom 1. und in Applied Sciences vom 13. Mai 2023.
Klimafreundliche Experimente
Laborbaukasten für städtische Szenarien
Baumaßnahmen, die städtische Orte verändern, verändern den Lebensraum der Menschen, die dort wohnen oder unterwegs sind. Nicht immer sind die Auswirkungen vorab genau abzusehen. Dann hilft es, die Szenerie in einem 3D-Modell nachzubauen, in das man praktisch eintauchen kann, um sie zu erleben. Dafür nutzen die Kartografen um Marco Weißmann eine Software, die eigentlich dazu gedacht ist, Computerspielumgebungen zu programmieren. „Wir haben eine Art Laborbaukasten entwickelt, in dem man eine Umgebung mitsamt dem Verkehr virtuell nachbilden kann“, erklärt Weißmann. Die Forschenden können damit die Auswirkungen geplanter baulicher Veränderungen direkt sichtbar machen: Wie fließt der Straßenverkehr? Kommen sich Autos und Fußgänger*innen in die Quere oder nicht?
Die impliziten Auswirkungen des Raums messen
Zudem hat der Raum, der uns umgibt, Einfluss auf unser Wohlbefinden. Manchmal bemerken wir das selbst, aber nicht immer. „Wer schon lange an einer lauten Straße wohnt, meint den Lärm zum Beispiel gar nicht mehr zu hören“, so Julian Keil. „Wir wissen aber, dass Anwohner solcher Straßen objektiv betrachtet ein signifikant höheres Stresslevel haben als andere.“ Um solche impliziten Auswirkungen städtebaulicher Maßnahmen zu ermitteln, bevor viel Geld in diese Maßnahmen geflossen ist, hat das Team der Kartografie eine Methode entwickelt, sie vorab zu messen. Dazu programmierten sie eine städtische Umgebung in der Virtuellen Realität und ließen Versuchspersonen die Szenarien erleben. Währenddessen bestimmten sie die Hautleitfähigkeit der Probanden, die Aufschluss über deren Stresslevel gibt.