Psychologie Warum Materialismus in Sozialen Medien stresst und unglücklich macht
Nirgendwo kann man sich so einfach mit anderen vergleichen wie in Sozialen Netzwerken. Das tut nicht gut.
Klamotten, Auto, Reisen, Follower: Materialistisch eingestellte Menschen wollen davon am liebsten immer mehr und vor allem mehr als andere. In Sozialen Medien finden sie ideale Möglichkeiten zum Vergleich, was sie anfällig für passives und suchtartiges Nutzungsverhalten macht. Das stresst und führt letztlich zu einer niedrigen Lebenszufriedenheit. Diese Abwärtsspirale, die Materialisten zu unzufriedeneren Menschen macht, konnten Bochumer Forschende mit einer Online-Befragung von über 1.200 Personen offenlegen. Sie berichten in der Zeitschrift Telematics and Informatics Reports vom 8. Januar 2024.
Sechs Fragebögen für über 1.200 Personen
Die Forschenden um Dr. Phillip Ozimek von der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum gewannen 1.230 Personen für ihre Online-Befragung. Voraussetzung für die Teilnahme war, dass sie mindestens eine Social-Media-Plattform mindestens einmal pro Woche nutzten. Im Schnitt gaben die Teilnehmenden an, täglich etwas über zwei Stunden in Social Media zu verbringen.
Mit sechs verschiedenen Fragebögen erhob das Forschungsteam, inwieweit die Teilnehmenden eine materialistische Einstellung hatten und dazu neigten, sich mit anderen zu vergleichen, ob sie Social Media eher aktiv oder passiv nutzten, ob sie Suchtverhalten bezüglich Social Media zeigten, wie gestresst und wie zufrieden sie mit ihrem Leben waren.
Abwärtsspirale kommt in Gang
„Wir konnten anhand der Daten belegen, dass eine stärkere materialistische Orientierung mit der Tendenz einhergeht, sich mit anderen zu vergleichen“, berichtet Phillip Ozimek. Dieser Vergleich gelingt in Sozialen Medien sehr einfach, und zwar primär durch passive Nutzung, das heißt durch Betrachten der Inhalte, die andere Nutzende gepostet haben. Materialismus und passive Nutzung standen auch in Zusammenhang mit suchtartigem Gebrauch Sozialer Medien. „Darunter verstehen wir zum Beispiel, dass Betroffene ständig an die Kanäle denken und befürchten, etwas zu verpassen, wenn sie nicht online sind“, erklärt Phillip Ozimek. Das wiederum führt zu Symptomen schlechterer mentaler Gesundheit, sprich Stress. Am Ende der Kette steht eine verringerte Lebenszufriedenheit. „Social Media sind einer von sechs Schritten in die Unzufriedenheit“, fasst Phillip Ozimek zusammen.
Soziale Medien ziehen Materialisten an und züchten sie heran
„Insgesamt gibt die Studie einen weiteren Hinweis darauf, dass die Nutzung Sozialer Medien mit Risiken einhergeht, und das besonders für Menschen mit hohen materialistischen Einstellungen“, so der Psychologe. Besonders bedenklich sei das, weil Soziale Medien materialistische Werte triggern und steigern können, unter anderem durch (Influencer-)Marketing. Gleichzeitig ziehen die Plattformen ohnehin Materialisten an, da sie eine perfekte Möglichkeit darstellen, um viele materialistische Bedürfnisse zu befriedigen.
„Es tut auf jeden Fall gut, sich seine Nutzungsdauer Sozialer Medien einmal bewusst zu machen und sie zu reduzieren“, rät Phillip Ozimek. Vom Totalverzicht rät er ab. „Danach neigt man eher zur Überkompensation.“ Das Forschungsteam regt darüber hinaus an, Materialismus und Social-Media-Nutzung bei Patientinnen und Patienten, die sich wegen psychischer Störungen in Therapie befinden, mit zu erfassen. „Das kann ein Ansatzpunkt für flankierende Maßnahmen sein, die Patientinnen und Patienten gut zu Hause ausprobieren können.“