Augenheilkunde

Brille adé

Alle paar Jahre zum Lasern und immer scharf sehen ohne Brille – ein Traum. Forschende und Industriepartner entwickeln die Methode.

Sie drücken, rutschen, verstecken den wichtigsten Teil des Gesichts, verschwinden ständig und sind immer schmutzig: Brillen sind so verbreitet wie ungeliebt. Irgendwann haben die meisten Menschen eine, denn Kurz- und Weitsichtigkeit sind in der Bevölkerung häufig, später im Leben kommt meistens noch eine Altersweitsichtigkeit hinzu. „Kurzsichtigkeit nimmt außerdem schon bei Kindern zu, womöglich eine Folge von zu viel Zeit vor Bildschirmen und zu wenig Aufenthalten draußen“, weiß Prof. Dr. Stephanie Joachim. Sie ist Leiterin des Experimental Eye Research Institute an der Universitätsaugenklinik an den Knappschaft Kliniken, Universitätsklinikum Bochum. 

Angesichts all der Nachteile von Brillen (und Kontaktlinsen, die nicht alle vertragen) liegt der Gedanke nahe, den Sehfehler direkt zu beheben, anstatt ihn durch Linsen auszugleichen. Seit Jahrzehnten ist es möglich, die Augen mit Laser zu behandeln. Bei den etablierten Verfahren kommen Femtosekundenlaser zum Einsatz, die entweder einen Teil der Hornhaut abtragen, oder die Hornhaut öffnen und anheben, um einen Bereich zu entnehmen und den Schnitt dann wieder zuzuklappen. Ziel ist es immer, die Brechkraft des Gewebes zu verändern, damit eingehende Lichtreize punktgenau auf die Netzhaut geleitet werden, sodass man scharf sieht. 

„Diese Laserbehandlung ist natürlich nur innerhalb gewisser Grenzen möglich“, schränkt Stephanie Joachim ein. „Wer zum Beispiel eine sehr dünne Hornhaut hat, für den eignet sich die Methode nicht. Und gegen Altersweitsichtigkeit ist sie auch kein Mittel.“ Wer sich heute für das Lasern entscheidet, ist meistens nicht älter als 30 bis 40 Jahre. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass man später doch wieder eine Brille braucht, denn die Augen verändern sich stetig weiter. 

Die Angst vor dem Schnitt

„Viele Brillenträger*innen schrecken auch vor dem Eingriff zurück, weil sie Angst haben vor Nebenwirkungen“, berichtet Stephanie Joachim. „Der Sehsinn und die Augen sind für uns Menschen sehr wichtig, da überlegt man sich gut, ob man eine Behandlung in Erwägung zieht, bei der Gewebe geschnitten und entfernt wird.“ 

Gemeinsam mit der Firma SCHWIND eye-tech-solutions entwickelt ihr Team im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt HARMONY eine neuartige Laserbehandlungsmethode, bei der nicht geschnitten wird. „Wir wollen den Brechungsindex der Hornhaut nicht-invasiv verändern“, erklärt sie das Ziel der Methode LIRIC – Laser-induced refractive index change. Der eingesetzte Laser, den die Firma Schwind weiterentwickelt, ist ebenfalls ein Femtosekundenlaser. Die Laserparameter unterscheiden sich allerdings gegenüber anderen Verfahren, sodass die Pulse deutlich unterhalb der Zerstörschwelle arbeiten, wodurch kein Schnitt oder sonstige Schädigung im Gewebe entsteht. Es verändert sich aber trotzdem. „Was im Gewebe im Detail dabei passiert, wissen wir noch nicht“, sagt Stephanie Joachim. „Wir vermuten, dass Wasser heraus gedrängt wird. Möglicherweise verändert sich aber auch die extrazelluläre Matrix der Hornhautzellen. Das erforschen wir gerade.“ 

Die Hornhaut verändert sich durch die Laserbehandlung, sodass die Brechung angepasst werden kann. 

© Damian Gorczany

Aktuell nutzen die Forschenden im Universitätsklinikum Bochum einen technischen Demonstrator, den die Firma Schwind gebaut und zur Verfügung gestellt hat. Sie untersuchen die Wirkung des Lasers an Hornhäuten von Schweinen, deren Augen als Schlachtabfall übrigbleiben. In gestanzte Ausschnitte der wenige Mikrometer dünnen Hornhaut lasern sie feine Linien. Manipuliert wird der obere Bereich der mittleren Schicht der Hornhaut. 

Ein fließender Übergang

„Wir programmieren das Gerät, sodass es die eigentliche Laserbestrahlung dann eigenständig ausführt“, beschreibt Stephanie Joachim. „Es entsteht dadurch eine Veränderung mit fließendem Übergang zum nicht behandelten Gewebe, die man mit bloßem Auge nicht erkennen kann – im Gegensatz zu bisherigen Lasermethoden, bei denen man die Schnitte zumindest anfangs deutlich sieht.“

Im Anschluss an die Laserbehandlung unterziehen die Forschenden die Hornhäute verschiedensten Tests, um die Sicherheit der Methode zu belegen. Optische Kohärenztomographie (OCT)-Aufnahmen zeigen die Dicke der Hornhaut, die biomechanischen Eigenschaften werden untersucht, das absolute Gewicht gemessen. Gewebe- und Genanalysen müssen zeigen, ob es in der behandelten Region nicht zu vermehrtem Zelltod kommt oder man auffällige Entzündungsanzeichen feststellen kann. „Die bisherigen Ergebnisse sind alle in Ordnung“, berichtet Stephanie Joachim. „Wir konnten keine erschreckenden schädlichen Folgen feststellen.“ Stattdessen sehen die Forschenden eine punktuelle Verdichtung des Gewebes mit linsenähnlichen Eigenschaften – genau das, was sie sich wünschen. Die Veränderung des Brechungsindex durch die Behandlung ist bereits nachgewiesen.

Stephanie Joachim (links) und Rainer Kötter hoffen, durch eine neue Lasertherapie von Fehlsichtigkeiten für mehr Lebensqualität zu sorgen. 

© Damian Gorczany

„Es wird noch Jahre dauern, bis die Methode in der Praxis anwendbar ist“, macht Joachim deutlich. „Wenn es so weit ist, wird diese Art der Behandlung vielleicht eine größere Akzeptanz finden als die bisherigen Lasermethoden, weil sie nichts zerstört.“ Aus demselben Grund eignet sich das Verfahren auch für mehr Patient*innen, eben auch für solche, deren Hornhaut sehr dünn ist. Auch Altersweitsichtigkeit würde sich behandeln lassen. „Ich vermute, dass die Auswirkungen der Behandlung im Laufe der Zeit auch wieder zurückgehen werden, weil sich das Gewebe regeneriert“, sagt Stephanie Joachim. „Vielleicht werden wir uns in Zukunft einfach alle paar Jahre auf diese Art behandeln lassen und können so auf die ungeliebten Brillen und Kontaktlinsen verzichten.“ Das würde für viele Menschen mehr Lebensqualität bedeuten, ist die Forscherin sicher. „Auch Sportler*innen und Menschen in bestimmten Berufen wie Pilot*innen oder Feuerwehrleute, die Schutzkleidung tragen müssen, könnten sehr davon profitieren, keine Brille mehr zu brauchen.“

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Veröffentlicht

Mittwoch
29. Oktober 2025
09:30 Uhr

Dieser Artikel wird am 1. Dezember 2025 in Rubin 2/2025 erscheinen.

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