Neurologie Simon Faissner untersucht Wirkstoffe zur Behandlung der MS
Damit will er eine Erfolgsstory fortschreiben. Denn in den vergangenen 20 Jahren haben sich die Aussichten für Menschen mit Multipler Sklerose drastisch verbessert.
Wer heute die Diagnose Multiple Sklerose (MS) bekommt, hat gute Chancen später nicht im Rollstuhl sitzen zu müssen. „In den vergangenen 20 Jahren hat sich sehr viel getan“, berichtet Prof. Dr. Simon Faissner, neu ernannter Professor für Translationale Neuroimmunologie am Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Standort St. Josef-Hospital. „Mein Chef erzählt, dass es in den 1980er-Jahren nur wenig effektive Medikamente gab und man den Betroffenen praktisch nur dabei zusehen konnte, wie sich ihr Zustand immer weiter verschlechterte. Das ist heute ganz anders.“ Um die 20 verschiedene Substanzen stehen inzwischen zur Verfügung, um den Verlauf der Multiplen Sklerose abzuschwächen. Dennoch geht es immer noch besser – und das treibt den Mediziner an.
Wann ist der Punkt, an dem die MS schleichend chronisch wird?
„Die MS beginnt häufig im Alter zwischen 20 und 30 und nimmt dann zunächst einen schubförmigen Verlauf“, erzählt er. Die neurologischen Schwierigkeiten, die mit einem Schub einhergehen, könne man mit Medikamenten meistens gut behandeln und auch das Risiko von Schüben reduzieren. Doch irgendwann kann der Punkt kommen, an dem sich eine schleichende Verschlechterung einstellt, die zu bleibenden Behinderungen führt. Der Gang, die Feinmotorik und das Gedächtnis können betroffen sein, irgendwann können einige Patientinnen und Patienten dann doch pflegebedürftig werden. „Wir wollen wissen: Wann ist dieser Punkt und wie hängt er mit Veränderungen im Immun- und Nervensystem zusammen?“, erklärt Simon Faissner. Dazu beobachtet er mit seinem Team verschiedene Patientengruppen über lange Zeit und sucht unter anderem nach Immunzellbiomarkern und Markern für Nervenzellabbau, die auf solche Veränderungen hinweisen. „Die Patientinnen und Patienten können im Rückblick oft sagen, bis wann sie noch ohne große Einschränkungen zum Beispiel wandern konnten, und wann das nicht mehr ging“, berichtet Faissner. „Wir wollen die zugrundeliegenden Mechanismen besser verstehen und Progression rechtzeitig erkennen, um gezielter eingreifen zu können.“
Die Hoffnung der Forschenden ruht auf verschiedenen Substanzklassen: Bereits auf dem Markt sind Wirkstoffe, die das Immunsystem modulieren. Noch in den Kinderschuhen steckt die Forschung an Medikamenten, die das Zentrale Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark, erreichen, und sowohl Immunzellen des Gehirns als auch die dortigen Nervenzellen beeinflussen. Denkbar, aber noch nicht möglich, wäre auch ein direkter Nervenzellschutz.
In den kommenden Jahren will Simon Faissner das Thema von zwei Seiten angehen: Einerseits stehen die Grundlagen im Mittelpunkt. „Wir wollen verstehen, wie das Immun- und das Nervensystem zusammenspielen“, erklärt er. Andererseits sei der Blick auf die Patientendaten unverzichtbar. „Unterm Strich bin ich zuversichtlich, dass die kommenden Jahre noch einiges mehr an Therapieoptionen für MS-Betroffene bringen werden“, schließt er.