Helena Hartmann interessiert sich für die Interaktion zwischen Kognition und Schmerz.
© Privat

Neurowissenschaft Helena Hartmann will herausfinden, was in unseren Köpfen vorgeht

Welche neuronalen Prozesse laufen im Gehirn bei Schmerzen ab? Und wie wirkt sich die eigene Schmerzwahrnehmung auf das Mitgefühl mit dem Leiden anderer aus? Das untersucht Dr. Helena Hartmann.

Was fasziniert Sie an der kognitiven Neurowissenschaft?
Ich interessiere mich hauptsächlich für die Interaktion zwischen Kognition und Schmerz, also wie das, was wir denken oder erwarten, unser Fühlen beeinflusst. Um es anschaulich zu machen, nenne ich mal ein Beispiel: Ich sage als Versuchsleiterin im Experiment zu den Probandinnen und Probanden, dass sie eine Behandlung bekommen, die ihre Schmerzen lindert, und untersuche sie anschließend im MRT-Scanner. Und tatsächlich wirkt durch das Gespräch und die eigene positive Erwartung die Behandlung besser und die Probandinnen und Probanden spüren weniger Schmerzen. Und das zeigt sich auch in der Aktivität im Gehirn.

Sie haben in experimentellen Studien untersucht, wie sich das eigene Schmerzempfinden auf das Empathievermögen und Hilfeverhalten auswirkt. Was haben Sie herausgefunden?
Das ist äußerst spannend! Es ist tatsächlich so, dass Menschen, die selbst weniger Schmerzen spüren, zum Beispiel durch Gabe eines Schmerzmittels, auch weniger Mitgefühl für das Schmerzempfinden anderer haben. In der Studie habe ich mit zwei Gruppen gearbeitet. Der einen Gruppe wurde eine Tablette verabreicht. Die Teilnehmenden gingen davon aus, dass es sich um eine Schmerztablette handelte. Tatsächlich war es aber ein Placebo. Die andere Gruppe hat gar keine Tablette bekommen. Die Tablettengabe verringerte Empathie für schmerzgeplagte Mitmenschen, was wiederum dazu führte, dass diese einer anderen Person weniger oft halfen.

Ich interessierte mich besonders für Rolle von Erwartungen bei solchen sozialen Prozessen.

Warum haben Sie in der Studie mit Placebos gearbeitet?
Das hatte wissenschaftliche und praktische Gründe. Ich interessierte mich besonders für Rolle von Erwartungen bei solchen sozialen Prozessen. Frühere Forschung zeigt, dass Placebos teilweise vergleichbare Effekte erzielen können wie echte Schmerzmittel und auch über einen ähnlichen Mechanismus arbeiten. Dass selbst die Placebos so einen starken Effekt auf die kognitiven und psychologischen Prozesse haben, zeigt im Übrigen einmal mehr, dass wir Erwartungseffekte viel stärker in die klinische Arbeit einbinden müssen. Im SFB Treatment Expectation untersuchen wir genau das.

Sie engagieren sich besonders für Wissenschaftskommunikation. Was macht für Sie gute Kommunikation aus?
Die Türen des Elfenbeinturms ganz weit aufzustoßen, das finde ich sehr wichtig – wie eine Art Tag der offenen Tür, aber das ganze Jahr über. Forschung muss für die Menschen greifbar und verständlich sein. Daher habe ich auch das Projekt Science and Fiction ins Leben gerufen, in dem ich wissenschaftliche Artikel anhand von unterhaltsamen Kurzgeschichten erkläre.

Kognitive Neurowissenschaften in Duisburg und Bochum

Lernen, Erinnern, Vorhersagen – diese Prozesse wollen Forschende von der molekularen bis zur Verhaltensebene verstehen. Zu diesem Zweck kooperieren die Universität Duisburg-Essen und die Ruhr-Universität Bochum im Sonderforschungsbereich 1280 „Extinktionslernen“. Eine enge Zusammenarbeit besteht darüber hinaus in der Forschungsgruppe „Affective and cognitive mechanisms of specific Internet-use disorders“ und in diversen weiteren Projekten. 2021 wurde zudem das Research Center One Health gegründet, in dem die beiden Standorte ihre Kräfte bündeln. Schon seit 2007 arbeiten die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Duisburg-Essen und die Technische Universität Dortmund unter dem Dach der Universitätsallianz Ruhr strategisch eng zusammen.

Veröffentlicht

Donnerstag
10. August 2023
13:58 Uhr

Von

Juliana Fischer

Teilen