Serie Let’s Europe
Omar Samawi absolvierte sein erstes Semester in Bochum und studiert nun in Dublin.
© Privat

NOHA-Programm Omar Samawi studiert Humanitäre Hilfe

Der gebürtige Jordanier möchte eines Tages eine eigene Nichtregierungsorganisation im globalen Süden etablieren.

Zu Beginn der 1990er-Jahre hatte das Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) die Idee, einen Studiengang in Internationaler Humanitärer Hilfe zu entwickeln, der akademische Expertise mit einem hohen Praxisbezug verbindet und damit die Professionalisierung des Feldes vorantreibt. Dank der guten internationalen Kontakte der Ruhr-Universität fand sich 1993 ein Konsortium aus europäischen Universitäten zusammen und gründete NOHA – das Network on Humanitarian Action, mit dem Ziel, eine professionelle (Aus-)Bildung und Forschung zu humanitären Krisen voranzutreiben. Das Masterprogramm wird mittlerweile durch Erasmus Mundus gefördert. Wir sprachen mit einem der aktuellen Studierenden. Omar Samawi absolvierte sein erstes Semester in Bochum und studiert nun in Dublin.

Warum haben Sie sich für NOHA entschieden? Und warum haben Sie Bochum als Ihren ersten Studienort gewählt?
Nun, mehrere Faktoren haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass NOHA das richtige Programm für mich ist. Wie Sie vielleicht wissen, ist die Logistik eine der Säulen der Humanitären Hilfe. Vor meinem Masterstudium habe ich mich auf die Pharmalogistik spezialisiert: den Transport von Medikamenten in allen möglichen schwierigen Situationen. Meine Erfahrung im jordanischen Gesundheitsministerium (MOH) bei der Planung des COVID-19-Impfstoffprogramms während der Pandemie hat mich dazu inspiriert, das humanitäre System ganzheitlicher zu betrachten, etwas, was das NOHA-Programm hervorragend leistet.

Das Wissen, das ich durch NOHA erhalte, kann mir helfen, meinem Herkunftsland etwas zurückzugeben.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ist Jordanien ein Land, das mehr als 3,7 Millionen Flüchtlinge (etwa 40 Prozent der Bevölkerung) aus 49 verschiedenen Ländern aufnimmt. Ich würde gerne zurückgehen und mich in Jordanien niederlassen. Das Wissen, das ich durch NOHA erhalte, kann mir helfen, meinem Herkunftsland etwas zurückzugeben.

Was Bochum betrifft, so ist Deutschland meine zweite Heimat, und es ergibt durchaus Sinn, dass man ein Programm in einem Land beginnt, mit dem man vertraut ist. NOHA (oder Erasmus Mundus im Allgemeinen) sind sehr spannende Programme, aber sie können auch stressig sein. Es ist klug, die Variablen im ersten Semester zu reduzieren, indem man in einem Gebiet beginnt, mit dem man vertraut ist und in dem man sich wohl fühlt.

Sie sind jetzt in Dublin. Was ist Ihrer Meinung nach der größte Unterschied zwischen den beiden Städten?
Obwohl die beiden Städte im selben Teil der Welt liegen, gibt es große Unterschiede zwischen ihnen. Mentalität, Lebensstil, Lebenshaltungskosten, Sprache, politische Ansichten und Lebenseinstellung sind nur einige der Unterschiede ... Ich würde sagen, die einzigen zwei Dinge, die diese beiden Städte gemeinsam haben, sind gutes Bier und schlechtes Wetter, haha!

Ich kann zwar keinen großen Unterschied feststellen, aber ich kann nur sagen, dass beide Städte viel zu bieten haben, und wenn ich nicht schon neun Jahre in Deutschland gelebt hätte, wäre ich von Bochum genauso begeistert, wie ich es bei meinem kurzen Austausch in Irland war.

In meiner Dissertation möchte fragen: Wie können sich lokale Organisationen internationalisieren?

Haben Sie schon konkrete Pläne für die Zeit nach dem Studienprogramm?
Wie ich bereits sagte, würde ich gerne zurückkehren und meinem Herkunftsland Jordanien etwas zurückgeben. Neben meiner Arbeit für das Gesundheitsministerium habe ich bereits über zwei Jahre Erfahrung in einer lokalen NGO in Jordanien gesammelt: eine sehr aufschlussreiche, aber auch herausfordernde Erfahrung aufgrund der begrenzten Ressourcen, die lokale NGOs haben, und des Drucks, der sich daraus ergibt.

Ein Hauptthema im Bereich der Humanitären Hilfe ist die Entkolonialisierung, die internationale NGOs dazu ermutigt, sich stärker vor Ort zu engagieren. Das NOHA-Programm könnte mir dabei helfen, Kontakte zu internationalen Organisationen zu knüpfen, die mich im Gegenzug vielleicht dabei unterstützen könnten, mehr Führungspositionen in Jordanien zu finden. Ich persönlich würde gerne meine eigene lokale NGO mit internationaler Unterstützung gründen.

Eine große Frage ist, wie internationale NGOs lokalisiert werden können (ein Top-Down-Ansatz). In meiner Dissertation möchte ich die Frage umkehren und fragen: Wie können sich lokale Organisationen internationalisieren? Ich hoffe, dass ich einmal eine NGO im globalen Süden gründen kann, die wächst und eines Tages eine globale Reichweite hat.

Ich freue mich auf ein stärkeres Europa, das in seinen Menschen, seiner Politik und seinen Meinungen vielfältig ist.

Was halten Sie als gebürtiger Jordanier von der EU und den bevorstehenden Europawahlen?
Einer der faszinierendsten Aspekte der EU ist die Vielfalt auf diesem relativ kleinen Kontinent. Die Europawahl stärkt nicht nur die Einheit und das Image der EU, sondern kann auch Trost spenden und den Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, vor allem jenen, die mit der aktuellen Politik in ihren Ländern nicht einverstanden sind.

Ich bin Anfang 2024 nach Irland gezogen, in einer sehr schwierigen und politisch sehr aufgeladenen Zeit. Die Geschichte Irlands, zu der eine schreckliche Hungersnot und eine harte Kolonialisierung gehören, hat das Land dazu gebracht, sich stets gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Humanitäres Handeln ist in ihrer Kultur und ihrer Politik fest verankert. Als Europäer jordanischer Abstammung war ich sehr erleichtert, Irlands Mitgefühl für das palästinensische Volk zu sehen. Das hat mir die politische Vielfalt Europas gezeigt und mir das Gefühl gegeben, dass ich gehört werde. Ich freue mich auf ein stärkeres Europa, das in seinen Menschen, seiner Politik und seinen Meinungen vielfältig ist.

Veröffentlicht

Mittwoch
22. Mai 2024
09:27 Uhr

Teilen