
Ricarda Brandts studierte in den 1980er-Jahren Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität.
Interview
Auch mal ins kalte Wasser springen
Ricarda Brandts ist Juristin und Vorstandsvorsitzende der UNO-Flüchtlingshilfe e.V. Im Jubiläumsjahr gratuliert sie ihrer Alma Mater und blickt auf ihre Zeit an der Ruhr-Universität zurück.
Ricarda Brandts legte eine atemberaubende juristische Karriere hin: Nach ihrem Studium und einer anschließenden Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Lehrstuhl der Ruhr-Universität Bochum begann sie 1988 ihre Karriere als Richterin am Sozialgericht Dortmund. Es folgten Etappen beim Landessozialgericht NRW, dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW und schließlich wurde sie Präsidentin des Sozialgerichts Dortmund, dann Vizepräsidentin des Landessozialgerichts in Essen, Richterin am Bundessozialgericht in Kassel und schließlich 2010 Präsidentin des Landessozialgerichts NRW.
2012 wurde Ricarda Brandts Brandts die erste Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in Münster und des Verfassungsgerichtshofes für das Land NRW. Dort war sie bis zu ihrem Ruhestand 2021 tätig. Zu ihren besonderen Anliegen gehörte und gehört es, ihre Erfahrungen an die nächste Generation von Juristinnen und Juristen, insbesondere Frauen, weiterzugeben. Sie ist Mitglied des Hochschulrates der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsvorsitzende der UNO-Flüchtlingshilfe e.V., wo sie sich für den internationalen Flüchtlingsschutz engagiert.
Im Interview erzählt sie, wie ihre Zeit an der Ruhr-Universität sie als Mensch und Juristin geprägt hat:
Welche Fähigkeiten haben Sie während Ihres Studiums an der RUB gelernt, die Sie noch heute brauchen?
Strukturiertes Denken, die Kompetenz zur vertieften wissenschaftlichen Analyse, ein geschärfter Gerechtigkeitssinn und ganz besonders die Fähigkeit, den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsgebot unseres Grundgesetzes für den gesellschaftlichen Zusammenhalt fruchtbar zu machen, gehören zu dem Fundament, das mein juristisches Studium an der RUB für meine berufliche Laufbahn gelegt hat. Dies ist weit mehr als die Vermittlung des bloßen juristischen Handwerks.
Ich empfehle, sich vor der konkreten Wahl des beruflichen Einsatzes unvoreingenommen und sorgfältig umzuschauen und Alternativen nicht aus den Augen zu verlieren.
An welche Eindrücke oder Begebenheiten erinnern Sie sich sofort, wenn Sie sich an Ihr Studium an der RUB erinnern?
Ich habe Anfang der 1980er-Jahre an der RUB studiert. Natürlich leben Bilder auf von der damals nur spärlich begrünten Betonwüste des Campus, von den vielen Vorlesungen in überfüllten Hörsälen und von der großen Bibliothek, in der man – noch ganz ohne digitale Ausstattung – nach den notwendigen Büchern suchte. In positiver lebendiger Erinnerung ist mir aber trotz dieser ungünstigen äußeren Bedingungen geblieben der stetige lehrreiche und spannende – auch politische – Austausch mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen und vielen Lehrenden sowie die sehr angenehme und mich fördernde Zusammenarbeit an einem Lehrstuhl für Strafrecht, an dem ich als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig sein durfte.
Was würden Sie aktuellen Studierenden mit auf den Weg geben, die ebenfalls als Changemaker einen Unterschied machen wollen?
Ich empfehle, sich vor der konkreten Wahl des beruflichen Einsatzes unvoreingenommen und sorgfältig umzuschauen und Alternativen nicht aus den Augen zu verlieren. Die Rechtswissenschaften eröffnen viele attraktive Möglichkeiten, die sich – auch angesichts der Entwicklung der persönlichen Stärken und Interessen – erst im Laufe der Zeit erschließen. Auch nach dem Berufseinstieg sollte man stets über den eigenen Tellerrand schauen und für andere Aufgaben offen bleiben. Gelegenheiten und Chancen sind nur begrenzt steuerbar, sie kommen und gehen und ergeben sich vielleicht nicht wieder. Deshalb kann – wenn etwa der Zeitpunkt der beruflichen Weiterentwicklung aus persönlichen Gründen nicht richtig passt – auch der Sprung in das kalte Wasser sinnvoll sein.