Serie Neu ernannt

Andreas Lammer ist seit Anfang 2025 Professor für Arabistik mit dem Schwerpunkt Wissensgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum.

© RUB, Marquard

Arabistik Andreas Lammer erforscht „Aristoteles 2.0“

Der Forscher stellt mit Avicenna einen Großen der Geistesgeschichte in den Blickpunkt. Aus den Niederlanden ist Lammer nach Bochum gekommen – mit einem hochdotierten internationalen Forschungsprojekt.

„Man kann seine Bedeutung nicht überschätzen“, schwärmt Prof. Dr. Andreas Lammer, wenn er über den arabischen Gelehrten Avicenna (arabisch: Ibn Sīnā) spricht. Lammer hat seit Beginn des Jahres 2025 eine Professur für Arabistik mit dem Schwerpunkt Wissensgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum inne. Er sieht sich hier in der Tradition eines starken Fachs, das seit den frühen Jahren der Ruhr-Universität in den 1970er-Jahren weit über die Region hinaus gestrahlt hat, nicht zuletzt auch durch das Wirken seines Vorvorgängers Prof. Dr. Gerhard Endreß und seiner Vorgängerin Prof. Dr. Cornelia Schöck. Mit dem Fokus auf Avicennas Werk, mit einem – wie er selbst sagt – „ausgeprägten Faible für Naturwissenschaften“ und mit modernen Ansätzen der Digital Humanities wird Lammer neue Akzente setzen.

Gerade Avicenna ist eine hoch interessante Persönlichkeit. Hierzulande wenig bekannt, gelten seine Arbeiten aus der Zeit um das Jahr 1000 bisweilen auch heutzutage noch als bahnbrechend und wegweisend in der arabischen Welt. Avicenna war Arzt, Philosoph, Naturwissenschaftler, Mathematiker und vieles mehr – ein Universalgenie oder „ein Gigant der Geistesgeschichte“, wie Lammer ihn nennt. Avicenna hat Aristoteles‘ Philosophie überarbeitet, weitergedacht und schließlich sogar auf über 6.000 Seiten zusammengeführt zu einem synthetisierten und – zumindest der Intention nach – widerspruchsfreien System. „Er hat quasi den ‚Aristoteles 2.0‘ verfasst, weil er sich selbst als Aristoteliker sah, die Augen aber auch nicht vor dem wissenschaftlichen Fortschritt verschloss“, so Lammer.

Mit einem Starting Grant nach Bochum

Andreas Lammer ist von der Radboud Universität Nimwegen nach Bochum gekommen. Im Gepäck hat der Forscher einen „Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrats ERC und nach den bisherigen Stationen seiner Vita viel Lob für das deutsche Wissenschaftssystem. „In den Niederlanden ist man als Mitglied einer Fakultät oft nur ein Rädchen im Getriebe, so fühlte es sich für mich an, während man in Deutschland größere Freiheiten hat, um Visionen zu verfolgen. Ich bin jemand, der gerne Visionen entwickelt und sich dann in internationaler Zusammenarbeit überlegt: Wie können wir das umsetzen? Wer möchte mitmachen?“

Viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter hat Lammer für sein internationales Forschungsprojekt mit dem Titel „Avicenna Live: The Immediate Context of Avicenna’s Intellectual Formation” – kurz: ALIVE – gefunden. Der ERC fördert es seit 2024 mit 1,5 Millionen Euro noch knapp vier weitere Jahre bis Ende 2028. Darin vernetzt sich Lammer mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt, von Indonesien bis Kanada.

Ziel: Forschungszentrum in Bochum

Lammers Ziel für sein Wirken in Bochum geht jedoch weit über das Projekt hinaus und ist ambitioniert: Er will an seiner Fakultät für Philologie ein Avicenna-Forschungszentrum aufbauen. „Es gibt international bisher keine Institution, die Avicenna für sich reklamiert und sagt: Hier schlägt jetzt das internationale Herz der Avicenna-Forschung“, sagt Lammer. „Es gibt Forschungszentren oder -stellen zu Aristoteles, Kant und anderen Denkern, mitunter sogar mehrfach auf der Welt, nicht aber zu Avicenna, obwohl er es verdienen würde. Noch nicht.“ Der Aufbau einer aktiven Forschungsstelle wird Zeit beanspruchen. Langfristig sollen internationale Forscherinnen und Forscher nach Bochum eingeladen und weitere Drittmittel generiert werden, plant Lammer.

Neben der Philosophie und den Schriften Avicennas und ihrer Bedeutung untersucht er die Rezeption (spät-)antiker griechischer Wissenschaften in der islamischen Welt sowie den Einfluss arabischer Texte auf die Geistesgeschichte Europas. An der Ruhr-Universität mit ihrer großen fachlichen Breite sieht Lammer nicht nur Anknüpfungspunkte in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, sondern zum Beispiel auch in den Naturwissenschaften oder in der Medizin – ganz in der Tradition Avicennas, „meinem Leib- und Magenphilosophen“, so Lammer.

Zur Person
  • 2005 bis 2008: Studium der Philosophie und der Germanistik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • 2008 bis 2009: Masterprogramm in Philosophie am King‘s College London
  • 2012 bis 2016: Promotionsstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 2018: Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Philosophie und Arabistik
  • 2018 bis 2022: Juniorprofessur für Arabische Philosophie, Kultur und Geschichte an der Universität Trier
  • 2022 bis 2024: Associate Professor für Philosophiegeschichte an der Radboud Universität Nimwegen in den Niederlanden
  • seit 2025: Professor für Arabistik mit dem Schwerpunkt Wissensgeschichte am Institut für Arabistik und Islamwissenschaft der Fakultät für Philologie an der Ruhr-Universität Bochum

Veröffentlicht

Donnerstag
06. März 2025
08:58 Uhr

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