
Filip Kuś ist Doktorand an der Universität Danzig in Polen.
Internationales
„Heutzutage kann man Wissenschaft nicht mehr allein betreiben“
Filip Kuś ist seit April als Wissenschaftler zu Gast im Winklhofer Lab der Ruhr-Universität. Den Aufenthalt macht ein renommiertes Stipendium der Europäischen Organisation für Molekularbiologie (EMBO) möglich.
Von Danzig nach Bochum: Filip Kuś hat ein Stipendium der Europäischen Organisation für Molekularbiologie erhalten, das ihm einen Forschungsaufenthalt im Labor von Prof. Dr. Konstanze Winklhofer am Institut für Biochemie und Pathobiochemie der Ruhr-Universität ermöglicht. Im Interview erzählt er begeistert von seiner Forschung, dem sogenannten FLIM-FRET-Mikroskop und den unzähligen Möglichkeiten für Studierende und Promovierende auf und außerhalb des Campus. Der Doktorand aus Polen betont außerdem, wie wichtig der internationale Austausch und die Zusammenarbeit für die Wissenschaft sind. Und er verrät uns, was sein Lieblingsort auf dem Campus ist.
Herr Kuś, worum geht es in Ihrem Promotionsprojekt?
An der Universität Danzig beschäftige ich mich mit molekularen Chaperonen. Das sind Proteine, die dabei helfen, andere, beschädigte Proteine in unseren Zellen neu zu falten oder abzubauen. Diese molekularen Chaperone sind für das Funktionieren unseres Körpers absolut unerlässlich, und wenn sie nicht mehr richtig funktionieren, führt dies zu einer Vielzahl von Krankheiten, von Krebs bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen – die meisten davon sind derzeit unheilbar. Wir wissen immer noch nicht alles über diese molekularen Chaperone, weshalb selbst eine kleine Entdeckung auf diesem Gebiet große Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann.
Woran arbeiten Sie hier an der Ruhr-Universität? Inwiefern trägt der Aufenthalt zu Ihrer Forschung bei?
An meiner Heimatuniversität konzentriere ich mich hauptsächlich auf biophysikalische und biochemische Techniken und nicht auf Zellkulturexperimente. Während meines Aufenthalts hier im Labor von Professorin Konstanze Winklhofer arbeite ich mit Zellen, einer Zelllinie, die ich genetisch verändere. Dazu übertrage ich ein Plasmid, das eine Gen für ein fluoreszierendes Protein enthält, in Zellen. Dieses kann ich dann unter dem Mikroskop untersuchen. Tatsächlich bin ich hauptsächlich wegen der Fluoreszenz-Lebensdauer-Mikroskopie an die Ruhr-Universität gekommen, die im Winklhofer-Labor zur Verfügung steht. Dieses hochentwickelte Gerät ermöglicht es mir, viele wertvolle Daten für mein Projekt zu erhalten und meine Erkenntnisse an einem zellulären Modell zu bestätigen – ein großer Gewinn für meine Doktorarbeit.
Welche weiteren Möglichkeiten bietet der Auslandsaufenthalt?
Der Aufenthalt ermöglicht es mir vor allem, mich mit anderen Forschenden in meinem Fachgebiet zu vernetzen, was sehr wichtig ist. Heutzutage kann man Wissenschaft nicht mehr allein betreiben. Es ist zu komplex, man muss zusammenarbeiten, man muss mit Fachexperten aus anderen Bereichen des eigenen Forschungsgebiets in Kontakt treten. Natürlich ist so ein renommiertes Stipendium auch wertvoll für den eigenen Lebenslauf.
Wie kam es zu Ihrem Forschungsaufenthalt?
Eine Kollegin von mir hatte auf einer Konferenz Forschende aus dem Labor von Konstanze Winklhofer kennengelernt, und da deren Erkenntnisse mit meinem Forschungsgebiet zusammenhingen, riet sie mir, mich mit dem Lab in Verbindung zu setzen. Und in der Tat, schnell stellte sich heraus, dass eine Zusammenarbeit zu spannenden und wertvollen Erkenntnissen führen könnte. Und so stellte ich einen Förderantrag bei der Europäischen Organisation für Molekularbiologie.
Förderung
Sie sind nun schon seit zwei Monaten hier: Wie gefällt es Ihnen bisher?
Die Ruhr-Universität ist ganz anders als meine Heimatuniversität in Danzig. Die Architektur ist sehr brutalistisch, aber aus irgendeinem Grund gefällt mir das. Außerdem gefällt mir das vielfältige Angebot für Studierende. Ich habe mich für einen Volleyballkurs des Hochschulsports angemeldet und das Sprachcafé habe ich auch schon besucht. Es gibt so viele Dinge, die die RUB-Gemeinschaft zusammenhalten. Das gefällt mir sehr gut und ich denke, das ist etwas, was wir an unserer Universität wirklich vermissen.
Außerdem finde ich, dass Bochum sehr schön gelegen ist. Jedes Wochenende kann man einen anderen Ort im Ruhrgebiet besuchen und dort einen anderen Vibe erleben. Außerdem habe ich schon Ausflüge nach Belgien und in die Niederlande gemacht, und ich habe auch vor, in die Schweiz zu fahren. Ich denke, es ist schön, dass man so schnell verschiedene Orte erreichen kann.
Haben Sie bereits einen Lieblingsort auf dem Campus?
Ich mag die Universitätsbibliothek sehr, denn ich bin ein Fan von Architektur, die ihren eigenen Geist und einzigartigen Charakter hat, und die Bibliothek ist definitiv einer dieser Orte. Ich setze mich manchmal einfach dorthin, um die Atmosphäre zu genießen. Ich denke, es ist auch ein perfekter Ort für Fotografen, wegen der verschiedenen Winkel.
Gibt es etwas, das Sie besonders beeindruckt oder überrascht hat?
Ich war positiv überrascht von dem Vertrauen, das die Menschen in mich, in meine Fähigkeiten haben. Ich erwähnte bereits, dass ich auch wegen des Mikroskops hierher kam. Nach der Einweisung durfte ich es sofort eigenständig benutzen, und die Leute gingen davon aus, dass ich alle notwendigen Kenntnisse besitze, um es ohne ihre Aufsicht zu bedienen. Natürlich sind sie immer da, wenn ich Unterstützung brauche, um meine Fragen zu beantworten und mir zu helfen, aber sie sind nie überfürsorglich geworden. Ich habe also hier das Gefühl, dass ich die Freiheit habe, die Dinge zu tun, für die ich ausgebildet wurde.
Sehen Sie Ihre Zukunft im akademischen Bereich? Was wünschen Sie sich?
Ich bin mir im Moment nicht sicher, ob ich in der Wissenschaft bleiben will. Ich denke, ich werde diese Entscheidung während des letzten Jahres meiner Promotion treffen. Abgesehen davon habe ich mal gehört, dass man vorsichtig sein soll mit dem, was man sich wünscht, denn es könnte ja eintreten. Und diese Denkweise gefällt mir sehr gut. Es mag wie ein Klischee klingen, aber ich versuche, mich mehr auf den Weg als auf das Ziel zu konzentrieren. Das hilft mir, bei meinen Plänen für die Zukunft flexibel zu bleiben, und ich glaube, das macht das Leben als Wissenschaftler einfacher und einen zufriedener.