Seit 2022 ist Halil Ülker im Projekt DemokratieTalente aktiv.
Demokratietalente
Mit Schülerinnen und Schülern über Demokratie sprechen
Im Interview erklärt Talentscout Halil Ülker das Projekt DemokratieTalente.
Als Talentscout berät Halil Ülker Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Fragen bezüglich ihrer persönlichen und beruflichen Perspektiven. Warum auch das Projekt DemokratieTalente sehr gut zu seiner Arbeit passt, erzählt er im Interview.
Herr Ülker, was sind die DemokratieTalente?
Die DemokratieTalente sind eine Gruppe von mehr als 25 Schülerinnen und Schülern bei mir aus dem Talentscouting, die alle aus unterschiedlichen Schulen aus dem Ruhrgebiet kommen, alle aber in der gymnasialen Oberstufe sind und sich gemeinsam mit mir mit dem Thema der Demokratie, unserer Verfassung, den daraus sich ergebenden politischen Themen und ganz allgemein mit der politischen Teilhabe junger Menschen auseinandersetzen.
Seit wann sind Sie im Projekt aktiv?
Ich selbst bin damals im Jahre 2022 auf das Projekt über Suat Yilmaz aufmerksam geworden. Er war nicht nur der erste NRW-Talentscout, sondern auch der erste Akteur, der gemeinsam mit Jugendlichen aus der Dortmunder Nordstadt zum Thema Demokratie gearbeitet und damit den Grundstein für das Projekt der DemokratieTalente gelegt hat. Damals hieß das Projekt noch die Verfassungsschüler. Ich habe an einer Fortbildung teilgenommen und dabei meine erste Gruppe der DemokratieTalente im Herbst 2022 aufgebaut. Damals bestand die Gruppe noch aus einer Mischung aus Studierenden und Schülerinnen und Schülern mit über 40 Teilnehmern. Mittlerweile ist die aktuelle Gruppe meine dritte, und zu Exkursionen lade ich immer alle DemokratieTalente der unterschiedlichen Jahrgänge ein, auch um Begegnungen, Netzwerke und Empowerment zu schaffen.
Heute läuft das Programm über "common purpose Hamburg" mit derselben Projektleitung, heißt allerdings "Die DemokratieTalente" und wird maßgeblich über die RWE Foundation gefördert. Die Kooperation im Projekt läuft über das Talentkolleg in Hagen, wo sie bestens verortet ist.
Workshops und Exkursionen rund um Demokratie
Wie sieht Ihre Arbeit für das Projekt aus?
Wir treffen uns mindestens einmal im Monat nach der Schulunterrichtszeit auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum oder im Talentkolleg Hagen und führen gemeinsame Workshops durch. Themen können zum Beispiel unser Grundgesetz sein, demokratische Werte oder Diskriminierung und Rassismus. Ein anderes, sehr wichtiges Thema: Wie gelangen junge Menschen an ihre Informationen zum Beispiel über die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen? Was denken sie heute über die Corona-Pandemie, und wie debattieren sie miteinander, wenn es in eine Diskussion geht?
Häufig gibt es aber auch das Anliegen, über politische Themen der Zeit diskutieren zu wollen. Im Grunde genommen geht es immer um die Reflexion der Themen, die junge Menschen angehen, sie emotional bewegen, aber auch eigene blinde Flecken der Jugendlichen aufzuzeigen.
Außerdem gibt es Exkursionen zu gesellschaftspolitischen Themen. Zum Beispiel waren wir in der Lichtburg in Essen, wo es eine Filmvorstellung zum Film "Führer und Verführer" mit dem Thema Propaganda früher in der NS-Zeit und Propaganda heute gab. Wir konnten neben der inhaltlichen Vorstellung und einer Podiumsdiskussion einem Zeitzeugen der NS-Zeit begegnen. Solche Erlebnisse sind für Jugendliche sehr spannend und äußerst wichtig. Ein Highlight ist dazu noch die obligatorische Bundestagsabgeordnetenfahrt nach Berlin oder zum Europaparlament nach Brüssel.
Ich versuche zu vermitteln, dass Demokratie erst dann funktioniert, wenn man sich einmischt und sich mit seinen Ideen und Gedanken einbringt.
Was nehmen die Schülerinnen und Schüler aus dem Projekt mit?
Im besten Fall lernen sie, wie wichtig die Demokratie für unser gesellschaftliches Zusammenleben ist, und dass Demokratie nicht vererbt wird, sondern erlernt und tagtäglich vorgelebt werden muss. Ich versuche zu vermitteln, dass Demokratie erst dann funktioniert, wenn man sich einmischt und sich mit seinen Ideen und Gedanken einbringt.
Gesellschaftliches Engagement spielt dabei eine große Rolle, und die Talente begreifen im Idealfall, dass gerade auch ihre Generation sich einmischen muss, um die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft zu bewegen. Wichtig ist zu begreifen, dass Demokratie ein weites Spektrum an Sichtweisen und Toleranz auch im Umgang mit teilweise sehr unterschiedlichen Meinungen beinhaltet.
Wenn die Talente verstehen, dass wir in Deutschland mit unseren Grundgesetzen eine der besten Verfassungen der Welt haben, diese konstituierend für unser Zusammenleben hier ist, und dass sie von ihrem Recht Gebrauch machen können, dann ist sehr viel gewonnen!
Für mich ist die Möglichkeit, mit der Gruppe der DemokratieTalente zu arbeiten, ein zusätzliches und sehr wertvolles Werkzeug der Talentförderung.
Wie passt das Projekt zu Ihrer eigentlichen Arbeit als Talentscout?
Das Talentscouting ist ja nicht nur neben dem Angebot der Berufsberatung der Arbeitsagenturen einfach eine weitere Beratung zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern, sondern es geht um sehr viel mehr. Wir begleiten junge Menschen, die es schwerer als andere haben und teilweise in sehr schwierigen sozialen Lagen aufwachsen, über einen sehr langen Zeitraum hinweg und arbeiten gemeinsam mit ihnen an ihrer Zukunftsplanung und Persönlichkeitsentwicklung. Wir betreiben Talentförderung. Da passt selbstverständlich die Arbeit am Thema Demokratie, insbesondere in der heutigen Zeit und der Entwicklung extremer oder extremistischer Denkweisen in alle Richtungen, hervorragend hinein. Zudem vermitteln wir auch immer demokratische Werte in jeder Beratung oder in jedem individuellen Treffen mit den Jugendlichen, sodass die Arbeit am Thema Demokratie in einer Gruppe der DemokratieTalente sehr hilfreich ist. Für mich ist die Möglichkeit, mit der Gruppe der DemokratieTalente zu arbeiten, ein zusätzliches und sehr wertvolles Werkzeug der Talentförderung.
Ist Demokratie denn ein Thema bei den jungen Menschen?
Erschreckenderweise haben junge Menschen, die ich überwiegend im Talentscouting kennenlerne, entweder kaum Berührungspunkte mit Demokratie. Oder viele verwechseln Demokratie mit ihrem eigenen politischen Standpunkt. Viele kennen den Spruch, dass bei einer Demokratie ja die Macht vom Volke ausginge. Wenn man sie dann fragt, an welchen Stellen das in ihrem Leben passiert, dann wird es schnell kompliziert und junge Menschen haben selten eine Antwort darauf. Sehr spannend ist, Talente mit Migrationshintergrund zu fragen, ob sie sich denn überhaupt dem deutschen Volke zugehörig fühlen. Häufiger ist die Antwort klar Nein, sehr selten klar Ja, am häufigsten jedoch uneindeutig und diffus. Auch die Frage, ob sie sich unserer Gesellschaft zugehörig fühlen, ist häufig nicht so eindeutig, wie es wünschenswert wäre. Demokratie ist ein breit angelegtes Konzept gesellschaftlichen Zusammenlebens, und dafür sensibel zu machen, lohnt sich sehr.
Wo machen junge Menschen eigentlich die Erfahrung, mitsprechen oder mitentscheiden zu dürfen und Selbstwirksamkeit zu spüren? Wo erleben sie, dass ihre Stimme oder ihr Engagement ein entscheidender Beitrag zur Stärkung der Demokratie sein kann?
Wenn sich keiner interessiert, sich einbringt oder seine Stimme erhebt, dann wird es um die Demokratie sehr schwierig, und autoritäre Züge nehmen immer mehr Raum ein. Wenn junge Menschen begreifen, dass es um ihre Freiheit, immer auch im Abgleich zu der Freiheit des Anderen geht, welche genauso wenig selbstverständlich ist wie die Demokratie selbst, dann wird es zügig zu einem Thema bei jungen Menschen.