Kosmologie Weltraumteleskop Euclid erfolgreich ins All gestartet
Deutsche Forschungsinstitute wirken an vorderster Front bei der Erforschung von dunkler Materie und dunkler Energie mit – auch die Ruhr-Universität Bochum.
Euclid, ein Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA mit starker deutscher Beteiligung, ist am 1. Juli 2023 um 17.11 Uhr Mitteleuropäischer Zeit mit einer Falcon 9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX ins All gestartet. Von seinem Zielort, dem Lagrange-Punkt 2 von Erde und Sonne, wird es mindestens sechs Jahre lang über ein Drittel des gesamten Himmels beobachten und die räumliche Verteilung von mehreren Milliarden Galaxien kartieren. Mit den Daten erhoffen sich die sechs aus Deutschland beteiligten Institute des internationalen Euclid-Konsortiums Aufschluss über den Einfluss der dunklen Materie und dunklen Energie auf die Struktur des Universums. Prof. Dr. Hendrik Hildebrandt, Kosmologe an der Ruhr-Universität Bochum, ist seit vielen Jahren Mitglied des Konsortiums.
Dunkle Materie und dunkle Energie
„Wir sind absolut begeistert, weil Euclid einen Quantensprung in der Fähigkeit der Menschheit darstellt, den Ursprung und die Entwicklung des Universums zu untersuchen“, sagt Joseph Mohr von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Die LMU ist eines der sechs deutschen Forschungsinstitute, die an Euclid beteiligt sind und Schlüsselkomponenten beigetragen haben.
Euclid wird zum ersten Mal systematisch den Einfluss von dunkler Materie und dunkler Energie auf die Entwicklung und großräumige Struktur des Alls untersuchen. Diese weitgehend unbekannten und unsichtbaren Bestandteile des Universums machen zusammen einen Anteil von 95 Prozent des Kosmos aus. Während die dunkle Materie die Gravitationswirkung zwischen und innerhalb von Galaxien bestimmt und zunächst für eine Abbremsung der Ausdehnung des Weltalls sorgte, ist die dunkle Energie für die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich. Jochen Weller (LMU/Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik) zeigt sich enthusiastisch: „Euclid wird es uns ermöglichen, Einsteins Theorie der Schwerkraft bei großen Entfernungen zu testen und wer weiß – vielleicht müssen wir seine Theorie erweitern.“
Wissenschaftliche Beobachtungen starten im Herbst
Euclid ist eine Weltraummission der ESA mit Beiträgen der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Fast genau elf Jahre nachdem die ESA dieses Programm offiziell annahm, erwarten nun Hunderte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Euclid-Konsortiums weltweit gespannt die Ankunft des Teleskops am Lagrange-Punkt 2 von Erde und Sonne, von wo aus es die wissenschaftlichen Beobachtungen im Herbst 2023 aufnehmen wird. Das Weltraumteleskop ist nach dem berühmten Mathematiker Euklid von Alexandria benannt, der vermutlich im 3. Jahrhundert vor Christus tätig war.
Das Konsortium bringt Wissenschaftler und Ingenieurinnen aus 17 Ländern zusammen, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Es ist für die Entwicklung und den Bau der Messinstrumente, für die Erfassung aller ergänzenden Daten am Boden, für die Entwicklung der Durchmusterungsstrategie und der Datenverarbeitungspipeline zur Erstellung aller kalibrierten Bilder und Kataloge sowie für die wissenschaftliche Qualität der Daten verantwortlich. Die Leitung hat das Institut d'Astrophysique de Paris in Frankreich. Die Firmen Thales Alenia Space und Airbus (ehemals Astrium) zeichnen für den Bau des Teleskops verantwortlich, dessen Hauptspiegel einen Durchmesser von 1,2 Metern aufweist.
Das deutsche Konsortium
In Deutschland wurde die Euclid-Mission vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der Universität Bonn (UB) mit Unterstützung der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam initiiert und entwickelt. In Schlüsselpositionen waren die Euclid-Gründungsmitglieder Ralf Bender (LMU/MPE), Hans-Walter Rix (MPIA), Peter Schneider (UB) und Jochen Weller (LMU/MPE) beteiligt. Im Jahre 2018 stieß die Ruhr-Universität Bochum hinzu.
Das MPE und das MPIA haben Schlüsselkomponenten zur Optik von Euclid beigetragen. Das MPE betreibt das deutsche Euclid Science Data Center; das MPIA, die LMU, die UB und die Ruhr-Universität haben wichtige Softwarepakete für die Kalibrierung und Analyse der Euclid-Daten entwickelt. „Um die Materieverteilung im All zu bestimmen, müssen die Forschenden die Entfernung aller Galaxien zur Erde messen“, erläutert Hendrik Hildebrandt von der Ruhr-Universität Bochum. „Dabei werden die Satellitendaten von Euclid mit Daten von bodengebundenen Teleskopen kombiniert.“
Die UB beherbergt das Euclid Publication Office, in dem die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Euclid-Konsortiums koordiniert und geprüft werden. Peter Schneider (UB) ist sich sicher: „Wir erwarten eine sehr große Zahl von bahnbrechenden Publikationen, nicht nur in der Kosmologie, sondern in nahezu allen Forschungsbereichen der Astrophysik.“ Alle Institutionen trugen zur Entwicklung der wissenschaftlichen Nutzung bei und nahmen an den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen von Euclid teil.
Viele Jahre der Datenanalyse warten
Neben der wissenschaftlichen Fragestellung, die Euclid untersucht, ist auch die verwendete Technik zukunftsweisend. Frank Grupp (MPE/LMU) unterstreicht: „Euclid enthält die größten optischen Linsen, die jemals für eine wissenschaftliche Weltraummission entwickelt wurden. Das war eine echte Herausforderung und wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR für diese außergewöhnliche Mission geleistet hat.“ Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert die deutschen ESA-Beiträge und stellt darüber hinaus aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm Fördermittel in Höhe von 60 Millionen Euro für die beteiligten deutschen Forschungsinstitute zur Verfügung.
„Wir sind alle sehr froh über den gelungenen Start“, freut sich Hans-Walter Rix (MPIA). „Nun liegen viele Jahre intensiver Arbeit mit spannenden Ergebnissen vor uns. Wir hoffen, dass wir schließlich einen deutlich verbesserten Blick auf das Universum haben werden.“