Auf einer Kristallscheibe, einem sogenannten Halbleiterwafer, lassen die Forschenden die Quantenpunkte durch ein mehrstufiges Verfahren in einer Ultrahochvakuumkammer wachsen. 

© Damian Gorczany

Quantenkommunikation Geheimbriefkasten im Kristall

Um Informationen sicher zu transportieren, erzeugen Forschende einzelne Lichtteilchen in einem hochreinen Kristall. Ein Bochumer Team ist Meister in der Produktion der erforderlichen Hardware.

Wann haben Sie das letzte Mal eine Information über das Internet geschickt? Vielleicht haben Sie erst vor ein paar Minuten eine E-Mail mit dem Hinweis „vertraulich“ an eine Geschäftskollegin gesendet und dabei zahlreiche Lichtteilchen auf die Reise durch ein Glasfaserkabel geschickt. Was auch immer Sie geschrieben haben, die Information wurde in Nullen und Einsen zerlegt, die grundlegenden Informationseinheiten unserer digitalen Kommunikation. In Glasfaserkabeln sind diese Nullen und Einsen nichts anderes als Pakete von Lichtteilchen, auch Photonen genannt. Das Problem: Angreifer können einige dieser Photonen abfangen und so in den Besitz der Nachricht gelangen.

Geheime Information sollte natürlich nicht im Klartext versendet werden, sondern verschlüsselt sein. Aber jeder Schlüssel kann im Prinzip gebrochen werden. Forschende weltweit – auch in Bochum – arbeiten aber daran, unsere digitale Kommunikation grundlegend auf neue Füße zu stellen. Sie wollen eine Quantenkommunikation etablieren, die für mehr Sicherheit sorgen würde. Die Technik arbeitet nicht mit Paketen von Photonen, sondern schickt einzelne Lichtteilchen durch die Leitungen.

Mithören zerstört Quanteninformation

Eine solche Quanteninformation, die in Form von Einzelphotonen übertragen wird, kann man nicht einfach mithören. „Die Gesetze der Quantenphysik sorgen dafür, dass die Information zerstört wird, wenn man versucht, das Lichtteilchen zu messen oder die Information mit all ihren Eigenschaften zu kopieren“, erklärt Dr. Arne Ludwig, der an der Ruhr-Universität Bochum im Bereich der Quantenkommunikation forscht. Ein Angreifer könnte also nicht einfach eine Leitung anzapfen und heimlich mitlesen, da er den Informationsfluss unterbrechen würde, was auffallen würde.

Arne Ludwig kümmert sich um die Hardware, mit der man eine Quantenkommunikation realisieren könnte: trickreich aufgebaute Kristallgitter mit sogenannten Quantenpunkten. Bei den Quantenpunkten handelt es sich um eng begrenzte Bereiche, in die sich ein Elektron, also ein negativ geladenes Teilchen, einsperren lässt, in das man die Quanteninformation einspeichern kann. Das Elektron wiederum kann die Information auf die Reise schicken, indem es diese auf ein Lichtteilchen lädt und versendet.

Elektronen mit Quanteninformationen versehen

Um einem Elektron eine Quanteninformation aufzuprägen, kann man eine seiner quantenmechanischen Eigenschaften nutzen: den Spin. Stellt man sich ein Elektron klassisch als Kugel vor – was in Wirklichkeit nicht stimmt, da Elektronen dem bisherigen Kenntnisstand nach keine Ausdehnung haben und sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften besitzen –, kann man den Spin als Eigendrehimpuls beschreiben, der die Kugel rotieren lässt. In so einem klassischen Bild kann die Rotation in zwei Richtungen erfolgen, Spin-up und Spin-down genannt. In dieser Spin-Ausrichtung ist die Information enthalten.

Das Bochumer Team um Arne Ludwig vom Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik hat jahrelange Expertise in der Herstellung von Quantenpunkten. Nirgendwo sonst auf der Welt können sie mit einer solchen Qualität produziert werden wie in Bochum. „In unseren Quantenpunkten kann man die Quanteninformation über lange Zeit stabil halten und sehr genau auf das Photon übertragen“, erklärt der Physiker. Das ist wichtig, damit die Quanteninformation präzise und möglichst störungsfrei bei den Empfängerinnen und Empfängern ankommt.

Quantenpunkte aus den hochreinen Materialien

Um die Quantenpunkte herzustellen, bringen die Forschenden zunächst eine Kristallmatrix, zum Beispiel aus Galliumarsenid, auf ein Trägermaterial auf. Die Quantenpunkte werden in der Kristallmatrix durch das Aufbringen eines zweiten Materials, etwa Indiumarsenid, erzeugt. Letztendlich sind sie nichts anderes als etwa zehn Nanometer große abgekapselte Bereiche im Kristall, in die sich ein Elektron einsperren lässt. Um das hinzubekommen, bedarf es einiger Tricks.

Wir arbeiten mit einigen der reinsten Materialien, die es auf der Erde gibt.

— Arne Ludwig

Damit die Quanteninformation im Quantenpunkt stabil bleibt und nicht von der Umgebung beeinflusst wird, muss die Kristallmatrix blitzsauber sein. Unerwünschte Elemente, die in der Kristallzusammensetzung nicht vorgesehen sind, sind quasi verboten. „Wir arbeiten daher mit einigen der reinsten Materialien, die es auf der Erde gibt“, sagt Arne Ludwig. „In einer Milliarde Gallium-Teilchen befinden sich in unserem Ausgangsmaterial nur zehn Fremdatome.“ Im Verarbeitungsprozess reinigen die Forschenden das Material weiter auf, sodass am Ende nur noch 0,1 Fremdatom auf eine Milliarde Kristallatome kommt.

Kristallgitter organisiert sich selbst

Für die Herstellung der Quantenpunkte nutzt die Bochumer Gruppe die Molekularstrahl-Epitaxie. „Im Grunde haben wir verschiedene Töpfe mit hochreinen Ausgangsmaterialien wie Gallium oder Indium und können einzelne Atome daraus auf ein Trägermaterial aufstrahlen“, erklärt Arne Ludwig. Das alles passiert im Ultrahochvakuum, also in einem besonders leeren Raum. Darin gibt es nahezu keine störenden Teilchen, die das Gallium oder Indium auf ihrem Weg zum Trägermaterial ablenken könnten. „Wir haben in unserem Vakuum eine freie Weglänge von mehreren Kilometern, das heißt, unsere Teilchen könnten mehrere Kilometer weit fliegen, bis sie mit einem anderen Teilchen zusammenstoßen würden“, veranschaulicht Arne Ludwig. Die Anlage ist allerdings nur etwa einen halben Meter lang; das heißt die Atome sausen aus den Töpfen auf direktem Weg zur Oberfläche.

Damit sich die Kristallmatrix mit den richtigen Eigenschaften bildet, müssen die Forschenden die Ausgangsmaterialien im passenden Mischungsverhältnis auf das Trägermaterial loslassen. Bei geeigneten Umgebungsbedingungen, zum Beispiel der richtigen Temperatur, organisieren sich die Atome der verschiedenen Materialien dann von alleine in die gewünschte Kristallanordnung, weil diese den energetisch günstigsten Zustand darstellt.

Orangen auf Mandarinen stapeln

Auf die Kristallmatrix aus Galliumarsenid bringen die Forschenden eine Schicht aus Indiumarsenid auf. In dieser bilden sich – ebenfalls selbstorganisiert – die Quantenpunkte. „Wenn man Indium auf Gallium aufbringt, ist das, als würde man Orangen auf Mandarinen stapeln“, veranschaulicht Arne Ludwig. „Die Indium-Atome sind größer als die Gallium-Atome. Man muss die Orangen quetschen, damit sie geordnet auf die Mandarinen passen, dadurch ploppen sie irgendwann nach oben auf.“ So bilden sich domartige Strukturen in der Indiumarsenid-Schicht: die Quantenpunkte.

Ein Quantenpunkt (grün) wächst im Kristall, wenn die Forschenden unterschiedliche große Atome aufeinanderschichten. Irgendwann ploppt die Schicht mit den größeren Atomen nach oben auf. 

© RUB, Arne Ludwig

Anschließend müssen die Forschenden ein Elektron – den Träger der Quanteninformation – in den Quantenpunkt bugsieren und dort einsperren. Dafür nutzen Arne Ludwig und seine Kolleginnen und Kollegen den quantenmechanischen Tunneleffekt. Dank diesem kann das Elektron eine Energiebarriere überqueren, die es nach der klassischen Physik eigentlich nicht überqueren können sollte. „Bildlich gesprochen ist es mit dem Transport des Elektrons so, als ob wir etwas Wasser aus einem See über einen Hügel in einen benachbarten Tümpel transportieren wollten“, beschreibt Ludwig. „Es kommt nicht ohne Hilfe über den Hügel, aber wir können es durch das Grundwasser auf die andere Seite sickern lassen.“

Dazu müssen die Physikerinnen und Physiker dem Elektron jedoch den Weg bereiten. Indem sie Lagen aus verschiedenen Materialien oder einzelne Fremdatome in der Nähe des Quantenpunkts deponieren, formen sie die Energielandschaft in dessen Umgebung so, dass das Elektron in den Quantenpunkt hineinflutscht. Mit weiteren Tricks verhindern sie zudem, dass es wieder ausreißen kann.

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Das Bochumer Verfahren erlaubt, die Quantenpunkte präzise mit Elektronen zu bestücken, ihren Ladungszustand also genau einzustellen. Eine Milliarde Quantenpunkte passen auf einen einzelnen Träger. „Wir können all diese Quantenpunkte mit genau einem Elektron bestücken. Bei der Hälfte, also bei einer halben Milliarde Quantenpunkte, können wir sogar dafür sorgen, dass Lichtteilchen mit exakt der gleichen Wellenlänge ausgesendet werden“, so Arne Ludwig.

Quantenpunkte gezielt platzieren

In Zukunft möchte Arne Ludwig die Kontrolle der Ladungszustände weiter verfeinern, um die Qualität der Quantenpunkte noch weiter in die Höhe zu treiben. Außerdem arbeitet er daran, die Strukturen gezielt auf dem Trägermaterial platzieren zu können. Denn liegen Quantenpunkte zu eng beieinander, stören sie sich gegenseitig, und sind sie zufällig verteilt, ist eine technologische Anwendung schwierig.

Noch vor ein paar Jahren entstanden die Quantenpunkte in der Kristallmatrix an zufälligen Stellen. Mittlerweile kann die Bochumer Gruppe sie in Streifen angeordnet wachsen lassen. Über die Rauigkeit der Oberfläche können sie das Wachstum steuern, denn die Quantenpunkte bilden sich bevorzugt am Übergang von rauen zu glatten Bereichen. Obwohl sie den Effekt zuverlässig reproduzieren können und die Methode mittlerweile patentiert haben, sind die physikalischen Hintergründe noch nicht vollständig verstanden. Gemeinsam mit dem Team vom Interdisciplinary Centre for Advanced Materials Simulation der Ruhr-Universität Bochum arbeitet Arne Ludwig daran, den Mechanismus zu entschlüsseln. Immer mit dem Ziel, die Quantenpunkte der nächsten Generation noch besser werden zu lassen.

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Veröffentlicht

Mittwoch
23. April 2025
08:55 Uhr

Dieser Artikel wird am 2. Juni 2025 in Rubin 1/2025 erscheinen.

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