ERC Grant Teilcheninteraktionen in Neutronensternen verstehen
Neutronensterne können viel schwerer sein, als die Theorie vorhersagt. Schuld daran sind vermutlich Hyperonen, wenig verstandene Elementarteilchen. Neue Simulationen sollen Theorie und Experiment in Einklang bringen.
Neutronensterne zählen zu den dichtesten Objekten des Universums. Die Vorgänge in ihrem Inneren geben der Teilchenphysik Rätsel auf. Beobachtungen und Theorie passen nicht zueinander. Schuld daran könnte ein mangelndes Verständnis der sogenannten Hyperonen sein – Teilchen, die einen besonderen Bestandteil, das Strange-Quark, besitzen. Sie sind instabil und daher schwer zu untersuchen. Prof. Dr. John Bulava von der Ruhr-Universität Bochum will ihnen mithilfe von Computersimulationen auf die Schliche kommen. Der Europäische Forschungsrat ERC fördert seine Arbeiten im Rahmen eines Consolidator Grants mit knapp zwei Millionen Euro für fünf Jahre. Das Projekt „Strange Nuclear Matter from First-Principles Hadron Scattering Amplitudes“, kurz StrangeScatt, soll im Juni 2024 starten.
Mit teilchenphysikalischen Modellen lässt sich vorhersagen, wie schwer Neutronensterne werden können und welchen Radius sie besitzen. „Diese Modelle prognostizieren, dass sehr schwere Neutronensterne nicht vorkommen können“, erklärt John Bulava, der in Bochum die Professur für Theoretische Hadronenphysik innehat. „Allerdings wurden schon Neutronensterne gefunden, die zweimal schwerer als unsere Sonne sind – diese Beobachtungen passen nicht zu den Modellen.“
Hyperonen-Interaktionen simulieren
Der Grund für die Unstimmigkeiten dürften die Hyperonen sein. Also jene Teilchen mit Strange-Quark, die im Inneren von Neutronensternen entstehen. „Die Interaktionen der Hyperonen sind nicht gut verstanden“, so Bulava. Materie, wie wir sie im Alltag erleben, besteht aus Protonen und Neutronen, die wiederum aus kleineren Teilchen bestehen, den Quarks. Quarks gibt es in sechs Sorten; zwei davon – die up- und down-Quarks – kommen in klassischer Materie vor. „Wenn strange-Quarks im Spiel sind, wie bei den Hyperonen, können alle möglichen neuen Sachen passieren“, weiß John Bulava und ist überzeugt: „Wenn wir die Hyperonen-Interaktionen besser verstehen würden, könnten wir auch Masse und Radius der Neutronensterne besser vorhersagen.“ Genau hier setzt seine Arbeit an.