Esra Eichener untersuchte in seiner Masterarbeit, warum Deutsche wie zu Flüchtlingen stehen. © RUB, Kramer

Sozialwissenschaft Deutsche hegen gemischte Gefühle gegenüber Geflüchteten

Nur sieben Prozent der Deutschen sind gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Die Vorbehalte sind trotzdem groß.

Während in der öffentlichen Diskussion die Extrempositionen am lautesten geäußert werden, sieht die große Mehrheit der Deutschen die Aufnahme von Flüchtlingen differenziert: Nur sieben Prozent lehnen jeden weiteren Zuzug von Flüchtlingen ab. 70 Prozent befürworten einen geregelten Zuzug. Esra Eichener hat in seiner Masterarbeit am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie, Arbeit und Wirtschaft von Prof. Dr. Rolf Heinze an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (RUB) die Gründe für die Haltung zur Flüchtlingsfrage untersucht und sie in den Emotionen gefunden: Wer seine eigene Lebenslage positiv sieht und Mitleid und Sympathie mit Geflüchteten hat, befürwortet den Zuzug eher. Islamfeindlichkeit und Bedenken gegenüber den gesellschaftlichen Folgen gehören zu den stärksten Gründen für die Begrenzung oder Ablehnung der Flüchtlingsaufnahme.

Mitleid ja, Sympathie nein

Grundlage der Arbeit war die allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften, die das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften alle vier Jahre durchführt. Die Auswertung der Angaben von insgesamt 3.240 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ergab, dass das allgemeine Meinungsbild zu Flüchtlingen und Flüchtlingszuwanderung von gemischten Gefühlen geprägt ist. 78 Prozent der Befragten empfinden Mitleid mit Flüchtlingen. 57 Prozent gaben an, dass ihnen Flüchtlinge nicht besonders sympathisch seien. In ökonomischer Hinsicht betrachtet ein Großteil der Bevölkerung Flüchtlinge als Risiko, selbst vor dem Hintergrund der demografischen Lage der deutschen Gesellschaft. Während 23 Prozent einen uneingeschränkten Zuzug fordern, sind 70 Prozent zwar grundsätzlich bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, befürworten aber einen geregelten Zuzug und fordern Integrationsleistungen der Zuwanderer.

Bitte nicht im persönlichen Umfeld

„Der kulturelle Unterschied wird als außerordentlich groß wahrgenommen, und im direkten persönlichen Umfeld sind Flüchtlinge nicht sonderlich erwünscht“, so Esra Eichener. 64 Prozent der Befragten empfinden Flüchtlinge trotzdem als kulturelle Bereicherung. „Obwohl die Emotionen gegenüber Flüchtlingen im Mittel nicht besonders positiv ausfallen, ist nur eine kleine Minderheit der Deutschen radikal ablehnend eingestellt. Von einer breiten Fundamentalopposition kann keineswegs die Rede sein“, so Eichener.

Wer sein Leben als positiv betrachtet, befürwortet den Zuzug eher

Im Zentrum seiner Arbeit stand die Frage nach den Ursachen für die Einstellungen gegenüber Flüchtlingen. Positive Emotionen gegenüber Flüchtlingen, etwa Mitleid und Sympathie, stellten sich als einer der wichtigsten Einflussfaktoren für eine Befürwortung des Zuzugs heraus. Daneben befürworten Personen den Zuzug eher, die annehmen, dass er positive Effekte auf die Gesellschaft hat. Auch wer die eigene Lebenslage als positiv betrachtet, äußerte sich der Zuwanderung von Flüchtlingen gegenüber offener.

Bildung, Alter, Einkommen, Geschlecht spielen keine Rolle

Wichtigster negativer Einflussfaktor war insgesamt Islamfeindlichkeit. Sie erklärt die Emotionen und die Einschätzung, welche gesellschaftlichen Folgen die Aufnahme von Flüchtlingen haben könnte. „Zudem erwies sich ein Komplex aus rechten politischen autoritären und materialistischen Einstellungen als einflussreich, der mit Fremdenfeindlichkeit assoziiert ist." Als unbedeutend für die Haltung gegenüber der Zuwanderung von Flüchtlingen stellten sich Bildung, Einkommen, Alter, Geschlecht, eigener Migrationshintergrund, die Größe des eigenen Wohnorts sowie seine Lage in Ost- oder Westdeutschland heraus.

„Die Gesellschaft ist also nicht gespalten zwischen multikulturalistischen, weltbürgerlichen, von der Globalisierung profitierenden Linksliberalen und einer nationalistischen, protektionistischen, heimatverbundenen Gegenbewegung“, sagt Esra Eichener. Diese beiden Pole lassen sich zwar empirisch nachweisen, stellen aber nur eine Minderheit dar. „Um das Dilemma zwischen der Notwendigkeit, humanitär zu helfen, und den als negativ angenommenen gesellschaftlichen Folgen zu lösen, muss die Politik aktiv werden. Ein modernes Einwanderungssystem könnte den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl von Kontrolle vermitteln. Derzeit entsteht der Eindruck, als stände die Politik den globalen Migrationsbewegungen ohne Konzept und hilflos gegenüber“, sagt Esra Eichener.

Pressekontakt

Esra Eichener
Tel.: 0151 107 914 35
E-Mail: esra.eichener@rub.de

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Veröffentlicht

Mittwoch
18. Juli 2018
09:27 Uhr

Von

Meike Drießen

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