Chemie Wie Ionen Wassermoleküle um sich scharen
Scheinbar einfache Fragen zur Wasserhülle von geladenen Teilchen sind lange Zeit unbeantwortet gewesen. Bis diese neue Technik kam.
Geladene Teilchen sind in wässrigen Lösungen stets von einer Hülle aus Wassermolekülen umgeben. Vieles über die Natur dieser sogenannten Hydrathülle ist jedoch noch unverstanden. Mit der Terahertz-Spektroskopie haben Bochumer Chemikerinnen und Chemiker neue Einblicke gewonnen, wie ein Ion die Wassermoleküle in seiner Umgebung beeinflusst. Einen Überblick über die Erkenntnisse aus den Experimenten geben Prof. Dr. Martina Havenith, Dr. Gerhard Schwaab und Dr. Federico Sebastiani vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie II der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in der Zeitschrift Angewandte Chemie vom 18. Juli 2018.
„Die Hydrathülle von Ionen ist äußerst wichtig für das Verständnis fundamentaler Prozesse wie den Transport von Ionen durch Membranen oder Batterien“, sagt Martina Havenith, Sprecherin des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation. „Aber scheinbar einfache Fragen wie die Größe der Hydrathülle oder warum es Ionenpaare gibt, sind immer noch unbeantwortet.“
Neue spektroskopische Verfahren entwickelt
An der Ruhr-Universität Bochum geht das Team von Martina Havenith diese Frage mit selbst entwickelten spektroskopischen Verfahren an. Die Forscher schicken kurze Pulse von Strahlung im Terahertzbereich – mit einer Wellenlänge knapp unter einem Millimeter – durch die Probe. Das Gemisch absorbiert die Strahlung in verschiedenen Frequenzbereichen unterschiedlich stark, was in Form eines Spektrums sichtbar gemacht wird. Das Spektrum, also das Absorptionsmuster, verrät etwas über die Bewegung bestimmter Bindungen in den untersuchten Molekülen, zum Beispiel über die Wasserstoffbrückenbindungen in einem Wassernetzwerk.
Die Bochumer Gruppe entwickelte spezielle Verfahren mit niederfrequenter Terahertz-Strahlung, um die Größe der Hydrathülle bestimmen zu können, das heißt, die Anzahl von Wassermolekülen, die von einem Ion beeinflusst werden. Das aufgezeichnete Absorptionsmuster zerlegen die Forscher mathematisch in seine Bestandteile und können so die Anteile im Spektrum identifizieren, die etwas über einzelne Ionen oder Paare von Ionen verraten.
Wassermoleküle in Hydrathülle gezählt
Das Ergebnis: Bei mehr als 37 untersuchten Salzen wurden Hydrathüllen mit einer Größe zwischen 2 und 21 Wassermolekülen bestimmt. Die Anzahl hängt zum Beispiel von der Größe des Ions und seiner Ladungszahl ab. Einfach geladene Ionen beeinflussen in der Regel weniger Wassermoleküle als mehrfach geladene Ionen. „Allerdings ist das nicht ganz systematisch, sondern auch abhängig davon, welches Kation oder Anion jeweils vorliegt“, erklärt Martina Havenith.
Mit ihrer Methode ermitteln die Forscherinnen und Forscher die sogenannte effektive Zahl der Wassermoleküle; das ist die minimale Anzahl der Wasser, die von einem Ion beeinflusst werden und sich somit nicht so frei bewegen können wie das unbeeinflusste Umgebungswasser. Aufgrund der positiven oder negativen Ladung eines Ions richten sich die Wassermoleküle mit ihren partiell positiv geladenen Wasserstoffatomen oder ihrem partiell negativ geladenen Sauerstoffatom zum Ion hin aus. „Der Einfluss des Ions auf die Wassermoleküle nimmt graduell mit der Entfernung ab“, erklärt Havenith. „Es gibt nicht immer eine klare Grenze zwischen beeinflussten und nicht beeinflussten Wassermolekülen.“ Daher gibt das Team bei der Größe der Hydrathülle eine Mindestanzahl an.
Ionenpaare untersucht
Aber nicht nur mit einzelnen Ionen hat sich die Bochumer Gruppe beschäftigt, sondern auch mit Paaren aus Kationen und Anionen. Die Wassermoleküle beeinflussen dabei die Bildung des Ionenpaares. Sie können entweder eine gemeinsame Hydrathülle um die beiden Partner bilden oder separate Hüllen um Kation und Anion. Aus wie vielen Wassermolekülen diese Hüllen jeweils bestehen, kann das Team quantifizieren. „Es reicht nicht zu wissen, wie viele Wassermoleküle von einem einzelnen Chloridion beeinflusst werden und wie viele von einem einzelnen Eisenion, um zu wissen, wie viele Wassermoleküle ein Eisenchlorid umgeben“, erklärt Havenith. Das sei kein einfacher additiver Prozess.
„Generell zeigen unsere Ergebnisse deutlich, dass nicht einzelne Ioneneigenschaften, sondern kooperative Effekte entscheidend sind“, resümiert die Forscherin. Es reicht nicht, eine einzelne Ioneneigenschaft zu kennen, um vorhersagen zu können, wie ein Ion die Wassermoleküle in seiner Umgebung beeinflussen wird. Stattdessen hängen die verschiedenen Parameter – etwa der Ionenradius oder um welches Kation-Anion-Paar es sich handelt – zusammen und bestimmen gemeinsam, wie sich eine Hydrathülle oder ein Ionenpaar ausbildet.
Simulationsergebnisse bestätigt
Die experimentellen Daten passen zu theoretischen Simulationen von anderen Gruppen und können als Eingangsparameter für die chemische Prozesstechnik dienen.