Dennis Dijkzeul gehört dem Institut für Friedenssicherungs- und Humanitäres Völkerrecht der RUB an. © Damian Gorczany

Krisengebiete Unterwegs in Afghanistan und im Süd-Sudan

Am Welttag der Humanitären Hilfe berichtet Dennis Dijkzeul von seiner Arbeit als Entwicklungshelfer.

Am 19. August ist Welttag der Humanitären Hilfe. Automatisch denkt man an bewaffnete Konflikte und Menschen, die verletzt und/oder traumatisiert in Zeltlagern liegen. Und natürlich denkt man an die Menschen, die diesen Opfern helfen. Der Konfliktforscher Prof. Dr. Dennis Dijkzeul vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der RUB ist einer dieser Helfer. Im Interview verrät er, dass es bei seinen Einsätzen nicht immer um Leben und Tod geht und dass eine Reise in ein Krisengebiet gut vorbereitet werden muss.

Herr Dijkzeul, wann steht Ihr nächster Auslandseinsatz an und wohin geht es?
Am 2. September 2019 reise ich nach Afghanistan und werde dort bis zum 10. September bleiben.

Am Zielort habe ich in der Regel einen Fahrer, der sich auskennt.

Was konkret werden Sie in Afghanistan machen?
Ich arbeite schon länger mit der Afghanistan Public Policy Research Organisation zusammen. So auch diesmal. Es dreht sich um humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe, genauer gesagt um Kurse im Projektmanagement. Ich werde ausschließlich Afghanen unterrichten, die beispielsweise aus Ministerien, Behörden, Nichtregierungsorganisationen oder Medien kommen. Etwa 20 Prozent der Teilnehmenden sind Frauen.

Wie muss man sich solch eine Reise und vor allem deren Vorbereitung vorstellen? Man kann diese ja nicht einfach im Reisebüro oder online buchen.
Das stimmt. Einen Großteil der Reisevorbereitung und der Durchführung übernimmt die Organisation, mit der ich vor Ort zusammenarbeite. Die kennt sich am besten aus und weiß, welche Fluglinien und Unterkünfte sich eignen. Am Zielort habe ich dann in der Regel einen Fahrer, der sich auskennt. Ich muss mich allerdings auch um ein paar Dinge kümmern, zum Beispiel um die Versicherungen und um Impfungen. Ich gehe dann zur Betriebsärztin der RUB. Dr. Kirsten Wiegand ist da sehr gewissenhaft und eine große Hilfe!

Das Bild dieser Länder ist in Deutschland verzerrt.

In Afghanistan gibt es weiterhin die Konflikte und regelmäßig erfahren wir von Anschlägen und Toten. Haben Sie niemals Angst, selbst Opfer zu werden? Wie schützen Sie sich beziehungsweise wie werden Sie geschützt?
Es stimmt natürlich, dass Länder wie Afghanistan, der Kongo oder der Süd-Sudan grundsätzlich gefährlicher sind als Deutschland. Dennoch ist das Bild dieser Länder in Deutschland verzerrt, da man von dort praktisch nur schlechte Nachrichten hört. Andererseits existiert die latente Gefahr durch Extremismus längst überall auf der Welt.

Man schützt sich am besten, indem man auf die Sicherheitsexperten der Organisationen, mit denen man kooperiert, beziehungsweise ganz allgemein auf einheimische Kolleginnen und Kollegen hört und ihre Ratschläge und Tipps befolgt. Sie können in aller Regel am besten einschätzen, welche Reiserouten, welche Situationen und welche Orte gefährlich werden könnten.

Ich stand noch nie in der Feuerlinie.

Gab es bei einem Ihrer Einsätze Situationen, in denen Sie in ernsthafter Gefahr schwebten?
Nein, ich stand noch nie in der Feuerlinie. Ich erinnere mich allerdings an den Sommer 2006. Da war ich vollkommen unbehelligt in Kabul unterwegs und erhielt einen Anruf einer deutschen Freundin. Sie saß in einem Zug kurz hinter einem der beiden Züge, in denen die Kölner Kofferbomber ihre Bomben platziert hatten. In Kabul war es in dem Moment sicherer.

In welchen Ecken der Welt sind Sie sonst noch unterwegs?
In den letzten Jahren war ich sehr viel mit der Caritas unterwegs. 2017 in einem Flüchtlingslager im Norden Ugandas und 2018 in einem Binnenflüchtlingslager im Süd-Sudan. In April 2019 habe ich dann vier lokale Organisationen und ihre Arbeit im Bereich der Ernährungssicherheit erforscht. In den Süd-Sudan werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach vom 13. bis 23. September für einen Workshop zu Ernährungssicherheit reisen.

Schon so kurz nach der Afghanistan-Reise wieder unterwegs?
Ja, in der Tat, das geht diesmal schnell.

Durch die Workshops lernen die Leute vor Ort so voneinander.

Und was machen Sie in diesem Workshop?
Ziel ist, dass diese vier Nichtregierungsorganisationen voneinander lernen, wie sie die Ernährungssicherheit weiter verbessern können. Der Clou dabei ist, dass es sozusagen um Best-Practice-Beispiele von diesen lokalen Organisationen geht. Die eine hat gute Ansätze bei der Fischerei, eine andere bei der Landwirtschaft. Durch die Workshops lernen die Leute vor Ort so voneinander. Das mag erfreulich klingen, ich muss aber doch hinzufügen, dass die Situation in den Lagern der Binnenflüchtlinge im Süd-Sudan sehr, sehr schlecht ist.

Wie viel Zeit verbringen Sie ungefähr pro Jahr im Ausland?
2019 werden es mindestens anderthalb Monate sein. Das liegt allerdings etwas über dem Durchschnitt von etwa einem Monat pro Jahr.

Gibt es ein Gebiet, in das Sie niemals zurückkehren würden?
Nein, definitiv nicht.

Wohin fahren Sie am liebsten?
Schwierig zu sagen. Früher war es Guatemala, dort bin ich eine Zeit lang sehr oft gewesen. Ich bin auch sehr, sehr gern bei meinen Schülerinnen und Schülern in Afghanistan. Doch, wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann ist es Afrika. Wichtig finde ich allerdings vor allem, dass ich überhaupt regelmäßig in die Länder zurückkehre, um längerfristig zu forschen, zu lehren und zu helfen.

Ich bin ja immer als Mensch unterwegs.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Betrachten Sie die Verhältnisse vor Ort bei Ihren Auslandsaufenthalten eher als Wissenschaftler oder als Mensch?
Das lässt sich gar nicht voneinander trennen. Ich bin ja immer als Mensch unterwegs, das gilt sowohl für die schönen als auch für die schrecklichen Momente. Einerseits erlebe ich viel, ich arbeite in anderen Kulturen, sehe traumhafte Natur und arbeite mit wundervollen Menschen zusammen, die auf beeindruckende Weise mit ganz wenig Mitteln einander helfen. Andererseits sind da aber auch schreckliche Schicksale, die mir nahegehen und mich auch länger verfolgen. Ich denke da unter anderem an die Pygmäen in Afrika, denen aktuell ein langsamer Genozid droht, oder an Menschen, die viel zu wenig zu essen haben.

Veröffentlicht

Montag
19. August 2019
08:55 Uhr

Von

Arne Dessaul

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