Ehre RUB-Chemiker wird Herausgeber
Nils Metzler-Nolte wird Editor-in-Chief beim Journal of Biological Inorganic Chemistry.
Prof. Dr. Nils Metzler-Nolte, Inhaber des Lehrstuhls für Anorganische Chemie der RUB, wird zum 1. Januar 2020 Herausgeber des Journal of Biological Inorganic Chemistry. Die Zeitschrift gehört der internationalen Fachgesellschaft für Bioanorganische Chemie und wird in Zusammenarbeit mit Springer-Nature verlegt.
Das Journal gibt es seit 1996; Metzler-Nolte wird der dritte Editor-in-Chief. Im Interview verrät er, was er sich für dieses Amt vorgenommen hat.
Herr Prof. Metzler-Nolte, welche Bedeutung hat die Zeitschrift für die wissenschaftliche Community?
Das „Journal of Bioinorganic Chemistry“, kurz JBIC ist die führende, internationale Zeitschrift für unser Fachgebiet, die Bioanorganische Chemie. Als solche hat sie ein gutes internationales Renommee; JBIC wird nicht nur von Chemikerinnen und Chemikern gelesen, sondern auch von Fachkolleginnen und Kollegen aus der Biologie und der Medizin bis in die (Bio-)Physik.
Bioanorganische Chemie
Das Journal gehört der Society of Biological Inorganic Chemistry SBIC, die vor über 30 Jahren gegründet wurde und mit rund 1.000 Mitgliedern aus der ganzen Welt die globale wissenschaftliche Gemeinschaft der Bioanorganischen Chemie bildet. Die SBIC organisiert jährlich internationale und regionale Tagungen in Asien, Lateinamerika, Europa, unterstützt andere Veranstaltungen mit Bezug zum Fachgebiet, vergibt Preise an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in dem Feld und ermöglicht allgemein weltweiten Austausch und Vernetzung.
Die Zeitschrift JBIC ist dabei ein zentrales Element und quasi der Kristallisationspunkt vieler Aktivitäten. Die Einkünfte aus der Publikation von JBIC, das heißt aus Subskriptionen und aus Online-Zugang und Open access-Gebühren fließen direkt wieder der Fachgesellschaft zu und machen viele ihrer Aktivitäten finanziell erst möglich.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für ein wissenschaftliches Journal?
Das Publikationswesen verändert sich insgesamt, und zwar gleichzeitig von den Autoren und dem Verlagswesen aus: Autoren sind unter großem Druck, ihre Ergebnisse schnell und gut sichtbar zu publizieren. Dadurch haben Parameter wie Sichtbarkeit und der ominöse Impact Factor, die nicht intrinsisch wissenschaftlich begründet sind, einen enormen Einfluss erlangt.
Dieser Druck führt zu einer Explosion der Zahl an publizierten Papers pro Jahr und nach meiner Überzeugung zu einer abnehmenden Qualität.
Angesehene Journale buhlen also um die besten Manuskripte, und sie müssen sich immer wieder behaupten, um für Autoren attraktiv genug zu sein. Ferner werden Institute und sogar ganze Universitäten weltweit nach dem sogenannten publication output beurteilt, oft sogar gerankt. Dieser Druck wird häufig bis auf den verantwortlichen Wissenschaftler weitergegeben, sei es in Form direkter finanzieller Belohnung für Publikationen wie in manchen Ländern üblich, oder in indirekterer Weise, zum Beispiel in Zielvereinbarungen bei Berufungen oder Beförderungen.
Dieser Druck führt zu einer Explosion der Zahl an publizierten Papers pro Jahr und nach meiner Überzeugung zu einer abnehmenden Qualität der einzelnen Arbeit zumindest im Durchschnitt. Gleichzeitig hat dieser Publikationsdruck von unten, ausgehend von den einzelnen Wissenschaftlern, einen Markt von Zeitschriften neu geschaffen, die diese vielen Manuskripte veröffentlichen, in der Regel gegen Bezahlung und oftmals nach mehr als dürftiger Qualitätsprüfung – die sogenannten predatory journals. Diese ungute Entwicklung wird zusätzlich durch die politische Forderung nach Open-Access-Publikationen verstärkt – wenngleich sicherlich ungewollt von den politischen Akteuren.
Qualität verlangsamt den Produktionsprozess
Für ein wissenschaftliches Journal ist es eine große Herausforderung, sich in diesem Umfeld zu behaupten: Einerseits genug Renommee aufzubauen und zu erhalten, um die besten Arbeiten im Feld anzuziehen, die dann auch gerne und häufig gelesen und zitiert werden, und andererseits eine hohe technische Qualität in den Manuskripten wie auch im gesamten Produktionsprozess sicherzustellen, die Geld kostet und den Publikationsprozess eher verlangsamt.
In einer Zeit, in der es scheinbar möglich ist, für alles und auch sein Gegenteil eine wissenschaftliche Studie zu erhalten, ist Glaubwürdigkeit und Überprüfbarkeit von wissenschaftlichen Daten eine Grundvoraussetzung, um die Integrität der Wissenschaft und damit ihren Einfluss bei der Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungen zu erhalten – was nach meiner Überzeugung unabdingbar ist. Seriöse, glaubhafte, wissenschaftlich-professionell editierte Fachjournale sind dafür ein enorm wichtiger Baustein.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zeitschrift in den kommenden Jahren?
JBIC wurde 1996 gegründet, in einer Zeit also, zu der Wissenschaftler ihre Artikel noch ausgedruckt mit der Post an den Herausgeber schickten und die Geschwindigkeit des Publizierens viel geringer war als heute. Parameter wie der Impact Factor spielten noch keine Rolle. In dieser Zeit war es für die Entwicklung des damals noch jungen, interdisziplinären Feldes der Bioanorganischen Chemie ungemein wichtig, eine eigene Plattform zu haben, und durch das Journal dem Feld insgesamt zu Sichtbarkeit und Anerkennung zu verhelfen.
JBIC hat alle Veränderungen des Publikationsprozesses seither mitgemacht, aber vielleicht in den letzten Jahren nicht die Präsenz und Sichtbarkeit erfahren, die das Feld erreichen könnte und sollte. Mein Ziel als Herausgeber wird sein, das Journal inhaltlich für neue Entwicklungen in der Biologie und Medizin zu öffnen, zum Beispiel Big Data und Nanowissenschaften.
Die Sichtbarkeit von JBIC in den sozialen Medien ist leider momentan kaum vorhanden, auch dies wird ein Feld sein, dem ich mich als Herausgeber verstärkt widmen werde.
Wissenschaftlicher Standard ist entscheidend für die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft in der Gesellschaft.
Außerdem werde ich einen engen Schulterschluss mit SBIC, unserer Fachgesellschaft suchen. Es sollte zum Beispiel für die Vortragenden von Plenarvorträgen auf SBIC-organisierten Tagungen selbstverständlich sein, dass sie zumindest eine gute Arbeit im Nachgang zur Tagung in JBIC publizieren.
Vor allem aber liegt mir daran, dass der wissenschaftliche Standard der Zeitschrift hochgehalten wird und die technische Qualität der Artikel einwandfrei ist und bleibt. Dies ist meiner Überzeugung nach nicht nur unabdingbar für das Ansehen unseres Gebietes, sondern ganz entscheidend für die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft in der Gesellschaft allgemein. Ich denke, dass gerade eine Fachzeitschrift, die von einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft herausgegeben wird, hier nicht nur die allerbesten Voraussetzungen, sondern auch eine besonders hohe Verantwortung hat.