Florian Spohr untersucht in der Fakultät für Sozialwissenschaft, was im Bundestag läuft. © RUB, Marquard

Interview Ein Blick hinter verschlossene Türen

Warum es nicht ohne Lobbyisten geht – aber auch schwierig ist mit ihnen.

Dr. Florian Spohr vom Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft hat ausgewertet, wie viele Hausausweise für den Deutschen Bundestag die Bundestagsfraktionen an welche Interessenvertreter vergeben haben. So konnte er einen Einblick in ein System gewinnen, das sonst unter Ausschluss der Öffentlichkeit funktioniert. Einiges hat ihn überrascht.

Herr Spohr, was machen Lobbyisten eigentlich, was ist ihr Job?
Die Aufgabe von Lobbyisten ist es, die Gesetzgebung im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen. Konkret heißt das vor allem: Politikern Informationen zur Verfügung stellen.

Gesetzesentwürfe kommen aus der Regierung in den Bundestag und können dort noch geändert werden. Lobbyisten können zum Beispiel Schwachstellen in den Entwürfen aufdecken. Sie versuchen, die Schlüsselfiguren in diesen Debatten von Änderungen zu überzeugen, die in ihrem Sinne sind. Dabei können sie ihre Popularität ins Spiel bringen, wenn sie zum Beispiel viele Mitglieder haben, und Wählerstimmen oder eben deren Entzug in Aussicht stellen.

Lobbyisten stellen einen direkten Draht zu Interessengruppen der Gesellschaft oder Wirtschaft dar.

Für Politiker liegt der Gewinn darin, dass sie Informationen über Probleme und Bedürfnisse bekommen, die sie sich sonst vielleicht gar nicht beschaffen können, und die direkt von Betroffenen oder Wählern kommen. Lobbyisten stellen also einen direkten Draht zu Interessengruppen der Gesellschaft oder Wirtschaft dar. Sie bedeuten Input von Profis, wir sprechen von Input-Legitimation.

Wozu brauchen Lobbyisten für ihre Arbeit einen Hausausweis des Bundestages?
Das ist mir im Detail auch nicht klar. Sie können damit jederzeit ins Haus und zum Beispiel in der Kantine essen und sich dabei mit Abgeordneten unterhalten oder in deren Büros vorstellig werden.
Ohne den Hausausweis können Interessenvertreter natürlich auch Einfluss nehmen: Entweder in einer der öffentlichen Anhörungen, die zu ungefähr jedem dritten Gesetzesentwurf stattfinden. Dazu wird allerdings jeweils nur eine Handvoll Interessenvertreter eingeladen. Hier ist das Verhältnis zwischen den Gruppen ausgeglichen.

Es werden immer mehr Akteure, die sich mitunter tarnen.

Eine andere Möglichkeit ist es, Veranstaltungen zu organisieren und Abgeordnete einzuladen. Solche Termine finden in Berlin jeden Tag statt, sie reichen von Frühstücken bis zu Abendessen. Natürlich kann man auch per Brief oder E-Mail seine Argumente darlegen.

Sie haben festgestellt, dass immer mehr neuartige Akteure wie Privatunternehmen, Kanzleien und Agenturen Hausausweise des Bundestages bekommen haben. Welche Folgen hat das?
Das macht das Ganze schwieriger, weil intransparent: Die Auftraggeber sind oftmals unklar. Es läuft darauf hinaus, dass, wer es sich leisten kann, auch gehört wird. Agenturen können für ganz unterschiedliche Auftraggeber arbeiten, sie stellen dafür ihr Netzwerk zur Verfügung. Das funktioniert so ähnlich wie eine Rechtsanwaltskanzlei, die ja auch mal für den Täter der Körperverletzung, mal für das Opfer aktiv wird, je nachdem, wer sie beauftragt.

Außerdem wird das ganze System dadurch unübersichtlicher. Früher gab es weniger Akteure wie etwa den Deutschen Gewerkschaftsbund oder die Arbeitgeberverbände. Es werden aber immer mehr, die sich mitunter tarnen. Es gibt Stiftungen, die geben sich überparteilich, werden aber von Interessengruppen finanziert. Die „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ ist ein gutes Beispiel für so einen Fall: Sie kommt sozial daher, wird aber vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanziert und machte sich etwa gegen den Mindestlohn stark.

Auch schwächere Gruppen oder Belange sollten in gleichem Maße Gehör finden.

Hatten Sie das Ergebnis Ihrer Analyse so erwartet oder waren Sie überrascht?
Mich hat die Menge der ausgestellten Hausausweise von der CDU überrascht, die allerdings auch traditionell viele Verbindungen zu Interessengruppen hat. Auch dass die SPD so viele Ausweise an Vertreter von Wirtschaftsinteressen vergeben hat, hat mich überrascht. Ich hätte erwartet, dass die Partei mehr die allgemeinwohlorientierte Seite bedient.

Nun sind Wirtschaftslobbyisten auch die zahlenmäßig größte Gruppe und vermutlich besser organisiert und finanziert als andere. Trotzdem sollten auch schwächere Gruppen oder Belange wie die von Sozialverbänden oder Umweltschutzinitiativen in gleichem Maße Gehör finden.

Veröffentlicht

Donnerstag
21. November 2019
09:17 Uhr

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