Geowissenschaft Wie Permafrost und arktisches Meereis zusammenhängen
1,5 Millionen Jahre haben Forscher in die Vergangenheit geblickt – und wagen eine Prognose für die kommenden Jahrzehnte. Die Ergebnisse sind der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Zeiten ohne Meereis in der Arktis sind auch Zeiten ohne oder mit wenig Permafrost in Sibirien gewesen – zumindest in den vergangenen 1,5 Millionen Jahren. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam laut einer in der Fachzeitschrift Nature erschienenen Analyse von Tropfsteinen aus sibirischen Höhlen, die Rückschlüsse darauf zulässt, wann der Boden dauerhaft gefroren war und wann nicht.
„Uns interessieren diese Zusammenhänge, weil seit Jahren immer weniger Meereis im Sommer in der Arktis beobachtet wird“, erklärt Dr. Sebastian Breitenbach, der an der Ruhr-Universität Bochum an der Studie mitwirkte und inzwischen an die britische Northumbria University in Newcastle upon Tyne gewechselt ist. Schätzungen zufolge könnte der Nordpol bereits in 10 bis 20 Jahren im Sommer eisfrei sein. „Die Daten aus der Vergangenheit deuten darauf hin, dass das gravierende Auswirkungen auf den Permafrostboden haben wird. Sollte dieser – vielleicht mit etwas Verzögerung – tauen, würden große Mengen CO2 und Methan in die Atmosphäre gelangen, was wiederum die Erderwärmung verstärken würde“, so der Geowissenschaftler weiter. Die Dynamik des Dauerfrostbodens und besonders seine Reaktion auf den aktuellen Temperaturanstieg seien wichtig für verbesserte Prognosen, wie sich die Emission von Treibhausgasen aus dem Permafrostboden entwickeln wird.
Das Team um Dr. Anton Vaks vom Geological Survey of Israel und Dr. Andrew Mason von der University of Oxford beschreibt die Ergebnisse in der Nature-Onlineveröffentlichung vom 8. Januar 2020. Neben Sebastian Breitenbach waren auch Kooperationspartner aus dem sibirischen Irkutsk, Russland, beteiligt.
Permafrost stoppt Tropfsteinwachstum
Schon bei einem Studienjahr 2000/2001 hatte Sebastian Breitenbach Tropfsteine in der Botovskaya-Höhle in Sibirien gesammelt. Diese und viele weitere Proben, die seit 2007 in der Botovskaya- und der Lenskaya-Ledyana-Höhle gesammelt wurden, konnten die Forscher nun datieren. So identifizierten sie Zeitfenster, in denen Tropfsteine in den Höhlen wuchsen, und solche, in denen das Wachstum unterbrochen war. Zeitfenster ohne Tropfsteinwachstum deuten auf Permafrost hin; denn wenn der Boden über der Höhle dauerhaft gefroren ist, kann kein Regen- oder Schmelzwasser durchsickern, das die Stalagmiten in der Höhle wachsen lassen würde.
Die so identifizierten Zeitfenster mit und ohne Permafrost verglich das Team mit Analysen anderer Forschungsgruppen, die Perioden mit mehr oder weniger arktischem Meereis – besonders im Sommer – rekonstruiert hatten. Die Daten passen zusammen: Zu Zeiten ohne Meereis gab es auch deutlich weniger dauerhaft gefrorenen Boden in Nordsibirien.
Datierungen mit der Uran-Blei-Methode
Frühere Analysen haben selten so weit in die Vergangenheit gereicht, wie in der aktuellen Studie beschrieben. „Man benötigt Proben aus dem Norden, wo es Permafrost gibt, die außerdem datierbar sein müssen“, sagt Breitenbach. In der aktuellen Studie datierten Wissenschaftler an der University of Oxford die Proben mit der Uran-Blei-Methode. Uran zerfällt im Lauf der Zeit zu Blei. Das Verhältnis verschiedener Uran- und Blei-Isotope zueinander gibt somit Aufschluss über das Alter der Proben.
„Solche Analysen sind aber nur mit sehr großem Aufwand und in ultrareinen Laboren möglich, wie es sie beispielsweise an der University of Oxford gibt“, erzählt Sebastian Breitenbach. „Denn es gibt überall Blei in der Luft, das die Proben verunreinigt.“
In einer Vorgängerstudie hatte die Forschergruppe noch die Uran-Thorium-Methode verwendet, die zwar weniger aufwendig ist, aber nur bis etwa 500.000 Jahre in die Vergangenheit zuverlässige Datierungen erlaubt. Mit der Uran-Blei-Methode sind Datierungen auch viele Millionen Jahre in die Vergangenheit möglich. Bislang hat sich das Forschungsteam aber auf die letzten anderthalb Millionen Jahre fokussiert und nur vereinzelt ältere Proben analysiert; weitere Studien sollen folgen.