Sandra Maß wird von der VolkswagenStiftung gefördert. © RUB, Kramer

Förderung Der Geschichtswissenschaft einen Schubs geben

Sandra Maß ergründet, wie sich die Disziplin angesichts des Klimawandels in die Debatte einbringen und verändern sollte.

Die Natur- und Geisteswissenschaften diskutieren das Erdzeitalter des Anthropozän, in dem die Aktivitäten des Menschen die Entwicklung des Planeten maßgeblich prägen. Die Geschichtswissenschaften haben den Begriff als intellektuelle Herausforderung aufgenommen, doch noch nicht ausreichend konsequent in die Forschung integriert, findet Prof. Dr. Sandra Maß, Inhaberin des Lehrstuhls Transnationale Geschichte an der RUB. Sie befasst sich in ihrem Projekt „Clio contaminated? Geschichtswissenschaft im Anthropozän“ mit der Frage, wie sich ihre Disziplin künftig aufstellen müsste, um die wissenschaftliche und politische Debatte zu bereichern. Dabei wird sie von der VolkswagenStiftung ab 1. Oktober 2021 für ein Jahr im Programm „Originalitätsverdacht“ gefördert.

Enge Verwobenheit analysieren

Die Geschichtswissenschaft hat sich lange Zeit auf die menschengemachte Geschichte konzentriert. Viele Historiker*innen setzen jedoch den Fokus schon lange auf ein erweitertes Spektrum von Akteuren und Akteurinnen. Die Konstruktion von „Natur“ und „Kultur“, die Human-Animal-Studies oder der new materialism sind in den vergangenen Jahren in der Geschichtswissenschaft angekommen und dezentrieren den Menschen als alleinigen Akteur der Geschichte.

„Angesichts der existenziellen Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten müssen sich Historiker*innen fragen, welche Art der Geschichtswissenschaft sie 2050 betreiben möchten“, spitzt Sandra Maß zu. „Das methodisch-theoretische Arsenal, das man braucht, um die enge Verwobenheit verschiedener Einflussfaktoren von globaler oder planetarischer Geschichte zu untersuchen, ist in der Geschichtswissenschaft durchaus vorhanden“, sagt sie. „Aber es dominiert die subdisziplinäre und regionale Abgrenzung, auch in der Institutionalisierung an der Universität. Es gibt einen intellektuellen und institutionellen Reformbedarf, wenn wir zukünftig als Wissenschaft öffentlich relevant bleiben möchten.“

In ihrem Projekt will sie dafür einen Denkraum eröffnen, in dem sie zum Beispiel die strenge Einteilung der geschichtswissenschaftlichen Lehrstühle in Sektoren, Räume und Zeiten hinterfragt oder überlegt, welche zusätzlichen, auch naturwissenschaftlichen Kompetenzen, Historikerinnen und Historiker in Zukunft brauchen, um ihre Gegenstände auch weiterhin gegenwartsbezogen untersuchen zu können. Die einjährige Arbeit soll in ein Traktat münden, das der Disziplin Denkanstöße geben soll. Die Förderung der VolkswagenStiftung eröffnet ihr dafür die Möglichkeit: Das Projekt ist bewusst ergebnisoffen angelegt.

Zur Person

Sandra Maß studierte Geschichte und Soziologie an der RUB und promovierte 2004 am Europäischen Hochschulinstitut Florenz. Von 2004 bis 2011 war sie wissenschaftliche Assistentin am Arbeitsbereich Historische Politikforschung der Universität Bielefeld, wo sie 2014 mit der Untersuchung „Kinderstube des Kapitalismus? Monetäre Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert“ habilitierte.

Nach einer Lehrstuhlvertretung an der Universität zu Köln war sie von 2015 bis 2017 stellvertretende Direktorin des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. 2017 wurde sie auf den Lehrstuhl Transnationale Geschichte der RUB berufen. Seit 2007 ist sie Mitherausgeberin und seit 2018 geschäftsführende Herausgeberin (zusammen mit Prof. Dr. Christa Hämmerle und Prof. Dr. Claudia Opitz) von „L’Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft“. Seit 2016 ist sie Auswahlkommissionsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.

Veröffentlicht

Montag
27. September 2021
09:05 Uhr

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