Forschungsförderung Deutsch-Ukrainische Kooperation in der Medizin
Gemeinsam möchten Wissenschaftlerinnen aus Bochum und Kiew neue Ansätze für die Therapie von Adipositas und Diabetes finden. Eine Anschubfinanzierung erhalten sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Normalerweise kontrolliert weitgehend das Gehirn unser Essverhalten und den Energiestoffwechsel. Entzündungen können dieses System jedoch stören und so zur Entstehung von Stoffwechselerkrankungen beitragen. Forschende um Prof. Dr. Nina Babel am Marienhospital Herne, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, haben gezeigt, dass eine Nahrungsergänzung mit der kurzkettigen Fettsäure Propionat solche Entzündungsreaktionen positiv beeinflussen kann. Zusammen mit Prof. Dr. Ludmila Gayova und Prof. Dr. Larissa Natrus von der Bogomolets National Medical University (NMU) in Kiew, Ukraine, möchte sie die dahinterstehenden Mechanismen im Kontext von Diabetes mellitus genauer erforschen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt sie beim Aufbau der dafür notwendigen Strukturen mit Reisemitteln in Höhe von 35.000 Euro für zwei Jahre. Das Projekt startete am 1. Juli 2021.
Propionat hemmt Entzündungen
Längerfristig erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen neue Biomarker zur Früherkennung von Stoffwechselstörungen sowie neue Angriffspunkte für die Therapie der daraus entstehenden Erkrankungen – wie Adipositas und Diabetes mellitus Typ II. „Bei Stoffwechselerkrankungen spielen systemische oder lokale Entzündungen im Gehirn- oder Darmgewebe eine wichtige Rolle“, erklärt Nina Babel. Gemeinsam mit Dr. Ulrik Stervbo, Prof. Dr. Timm Westhoff und weiteren Forschenden vom Marienhospital Herne zeigte sie, dass bei Patientinnen und Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz eine Nahrungsergänzung mit Propionat einen positiven Effekt auf die bei ihnen bestehende fortschreitende niedrigschwellige systemische Entzündung hat.
Vielversprechende Versuchsergebnisse aus Kiew
Jetzt möchten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen herausfinden, ob sich diese Erkenntnisse auf Stoffwechselerkrankungen übertragen lassen. „In Kiew haben schon vielversprechende Versuche mit einer Propionatgabe bei an Diabetes mellitus erkrankten Ratten stattgefunden“, erläutert Nina Babel. Die entsprechenden Studiendaten wurden noch nicht veröffentlicht.
Bislang sind die zugrundeliegenden Mechanismen aber noch nicht verstanden. „Wir möchten herausfinden, ob man vorhersagen kann, wer auf Propionat anspricht und wer nicht und welche molekularen Veränderungen Propionat auslöst. So könnte man vielleicht mit einem bestimmten Molekül arbeiten, um eine zielgerichtete Therapie zu entwickeln“, erläutert Nina Babel.
Ukrainische und deutsche Forscherinnen ergänzen sich
Dafür hat sie an der NMU in Kiew ideale Kooperationspartnerinnen gefunden: Ludmila Gayova, Inhaberin des Lehrstuhls für Biochemie und Organische Chemie, und Larissa Natrus, Leiterin der Abteilung für Moderne Technologien der Medizinischen Diagnostik und Behandlung, haben viel Erfahrung mit der Erforschung von Stoffwechselerkrankungen bei Mäusen und Ratten. Sie werden entsprechende Tierstudien durchführen. Die im Rahmen dieser Untersuchungen geplanten molekulargenetischen Zell- und Proteinanalysen übernimmt Nina Babel mit ihrer Arbeitsgruppe. Bei erfolgversprechenden Ergebnissen stünde die deutsche Seite auch bereit, um klinische Studien durchzuführen.
Gute Daten aus der Ukraine
Nina Babel ist in der Ukraine geboren und dort aufgewachsen. Zum Studium ging sie nach Deutschland. „Nach fünfundzwanzig Jahren war ich wieder zu Besuch in der Ukraine und war ganz angetan davon, wie viele gute Wissenschaftler es dort gibt. Leider sind sie aber trotz harter Arbeit auf der internationalen Bühne unterrepräsentiert“, erzählt Nina Babel und fügt hinzu: „Sie haben sehr gute Daten, aber die Form der Aufarbeitung findet in der westlichen Welt wenig Beachtung. Als ich nach einer Reise in die Ukraine Versuchsdaten von dort mitbrachte und mit meinen eigenen Leuten besprach, waren diese ganz beeindruckt davon, was sie in der Ukraine für Versuche machen.“ Gerade im Bereich der Spitzentechnologie fehle es dort jedoch teilweise an Möglichkeiten, die Versuchsergebnisse bis ins kleinste Detail zu analysieren. „Auch deshalb sind Kooperationen wie die von uns geplante ideal“, erklärt Nina Babel.