„Jeder Schritt, den wir in der Forschung machen, ist ein Schlüssel und wichtig für das Gesamtprojekt“, sagt Mana Kamioka. © RUB, Marquard

Interview Was fasziniert die Besucher internationaler Japan-Festivals?

Die Doktorandin Mana Kamioka ergründet, was Europäer an der japanischen Populärkultur interessiert. Am Beispiel von Deutschland erklärt sie die vielfältigen Antworten auf diese Frage.

Mana Kamioka ist Doktorandin an der Keio University Graduate School of Human Relations in Tokyo und forscht dort über das Arbeitsumfeld japanischer Musikstars, insbesondere von Idolen („idols“) wie Pop-Musikern, Girl- und Boybands, die zur japanischen Populärkultur dazugehören. Im Rahmen eines viermonatigen Studierenden-Austauschs ist sie an die RUB gekommen, um einen ersten Eindruck darüber zu erhalten, was die Besucher internationaler japanischer Kultur-Festivals an der japanischen Populärkultur interessant finden.

Frau Kamioka, was führt Sie nach Bochum?
Anfragen zu meiner Forschung kamen oft von Wissenschaftlern aus Europa und Amerika, nicht aus Japan, also dachte ich mir, dass ein Aufenthalt in Europa interessant wäre, und habe mich für das Studierenden-Austauschprogramm zwischen meiner Universität in Tokyo und der RUB beworben.

In Deutschland, beziehungsweise Europa, interessieren sich die Leute allerdings mehr für Mangas (japanische Comics) und Animes (japanische Animationsfilme), während der Bekanntheitsgrad japanischer Musikstars noch relativ niedrig ist. Zudem sind viele japanische Musikagenturen vermutlich kaum mit deutschen Events wie der DOKOMI vertraut, daher treten selten japanische Musiker auf solchen Festivals auf, was ebenfalls erklären könnte, weshalb sie hier noch relativ unbekannt sind. Es gibt zwar viele Fans von Anime-Songs, aber häufig kennen sie die Künstler, die diese Lieder performen, nicht. Aber der Musikmarkt in Deutschland ist ja riesig, daher denke ich, dass sich dies nach und nach ändern wird.

Was ist der Unterschied zwischen japanischen „idols“ und westlichen Bands?
Mein Eindruck ist, dass der überwiegende Teil der „idols“, also japanische Pop-Musiker oder Girl- und Boybands, in Japan trotz ihrer Popularität und vieler Auftritte nicht genug Geld mit ihrer Kunst verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, sodass sie zusätzlich ihren Nebenjob weitermachen müssen. Deshalb untersuche ich derzeit, wie die Situation der Musikindustrie in anderen Ländern vergleichsweise aussieht.

Werden Konzerte in Japan ähnlich wie in Europa organisiert?
Ja, es finden sehr häufig Konzerte statt, sowohl in kleinen Konzerthäusern als auch in großen Hallen oder Stadien.

Generell lässt sich sagen, dass das Bild des „Otaku-Japanologen“ eher ein Klischee ist.


Mana Kamioka

Mit wie vielen Leuten konnten Sie sprechen?
Ich habe mehrere Veranstaltungen besucht, die sich vollständig oder teilweise mit japanischer beziehungsweise ostasiatischer Kultur beschäftigen. Auf der DOKOMI, einer Anime- und Japan-Expo in Düsseldorf, und auf dem KPOP.FLEX-(Korean Popular Music)-Festival in Frankfurt habe ich mit jeweils rund 30 Besuchern gesprochen. Letzteres habe ich besucht, da der Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad von K-Pop in letzter Zeit rasant gestiegen ist und ich hier entsprechend Vergleiche und Gemeinsamkeiten mit der japanischen Kultur untersucht habe.

Zusätzlich habe ich vier Studierende aus der Sektion Japanologie der RUB befragt. Diese interessieren sich alle für Anime oder Games, aber auch für die japanische Sprache, Geschichte, Bräuche und Werte. Auch eine Vorliebe für japanische Mode oder die japanische Landschaft kamen als Hobby auf. Vor allem Letzteres fand ich sehr interessant, da ich die Landschaft in Deutschland als vielfältiger empfunden habe. Generell lässt sich sagen, dass das Bild des „Otaku-Japanologen“ (Fans von Anime und Manga) eher ein Klischee ist und das Interesse an Japan tatsächlich viele verschiedene Facetten haben kann.

Was unterscheidet Mangas von westlichen Comics?
Es gibt Mangas für zahlreiche verschiedene Genres, darunter auch viele, die sich an Erwachsene richten. Für kleine Kinder sind Mangas noch zu schwer zu lesen, aber die breite Leserschaft reicht von Grundschulkindern bis zu Erwachsenen. In Deutschland hingegen habe ich zum Beispiel Donald-Duck-Comics gesehen und mich gefragt, ob diese sich wiederum speziell an Kinder richten. Natürlich gibt es auch westliche Comics für Erwachsene, wie zum Beispiel die von MARVEL. Allgemein war ich positiv überrascht davon, dass sehr viele Mangas für den deutschen Markt übersetzt und hier verkauft werden.

Warum lesen die Menschen hier Mangas?
Die Leute, die ich dazu befragt habe, haben mir eine Vielfalt an Gründen genannt, weswegen sie angefangen haben, sich für Mangas zu interessieren, sodass es schwierig ist, eine allgemeingültige Antwort zu finden.

Meine Forschungsfrage ist zudem auch nicht auf schnelle Ergebnisse ausgelegt. Dafür sind die vier Monate, die ich hier bin, auch viel zu kurz. Aber jeder Schritt, den wir in der Forschung machen, ist ein Schlüssel und wichtig für das Gesamtprojekt.

Was ist die Besonderheit von japanischen Animes und was fasziniert die Leute, die Sie befragt haben, daran?
In Japan bevorzugen kleine Kinder oft Animes, da sie gegenüber Mangas leichter zu sehen und zu verstehen sind. Ich habe den Eindruck, dass westliche Zuschauer Animes häufig als eher für Erwachsene geeignet empfinden, vor allem Werke wie „Demon Slayer“, in denen es blutige Szenen gibt. In Japan ist es jedoch nicht selten, dass auch Kinder solche Animes schauen, und „Demon Slayer“ erfreut sich sogar bei Kindergarten- und Grundschulkindern größter Beliebtheit.

Die Personen, die ich interviewt habe, lobten, dass Animes durch Netflix und ähnliche Streaming-Services zugänglicher geworden sind und man so viele verschiedene Serien mit unterschiedlichen Themenbezügen schauen kann. Ich habe festgestellt, dass Animes deshalb eine gute Gelegenheit bieten, in Berührung mit der traditionellen Kultur, den Bräuchen und den Wertevorstellungen Japans zu kommen und dafür Interesse zu entwickeln. Ich werde weiterhin die Merkmale und Herausforderungen der japanischen Populärkultur anhand von Reaktionen im Ausland untersuchen.

Veröffentlicht

Mittwoch
31. August 2022
09:13 Uhr

Von

Carina Huber

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