Serie Über das Vergessen
Prof. Dr. Friedrich Balke hat an der RUB die Professur für Medienwissenschaft inne. © Damian Gorczany

Medienwissenschaft Materielle Gedächtnisorte

Für Medienwissenschaftler spielt sich das Vergessen nicht im Kopf ab.

Als Medienwissenschaftler ist Vergessen für mich kein primär psychischer oder neuronaler Zustand, den man durch Gedächtnistraining vermeiden kann. Nicht nur unser Gehirn, auch Speichermedien bewahren auf, was eine Kultur hervorgebracht hat, und stellen das Wissen zur Verfügung, ohne das Gesellschaften nicht funktionieren. Dazu gehören nicht nur Texte, Bilder oder Daten, sondern auch Objekte, die sich in Museen oder Sammlungen finden.

Vergessen niemals definitiv

Materielle Gedächtnisorte entlasten das menschliche Gedächtnis und schaffen Raum für kreative Prozesse. Anders als das Löschen ist Vergessen niemals definitiv, weshalb in den Medien- und Kulturwissenschaften die unerwartete Rückkehr des Vergessenen, zum Beispiel in Traum und Trauma, ein wichtiges Thema ist. Aus medienwissenschaftlicher Sicht bringe ich Vergessen daher mit dem technischen und organisatorischen Umbau oder der Zerstörung von Gedächtnisorten (Archiven, Bibliotheken, Datenbanken) in Verbindung.

Wie haben zum Beispiel spektakuläre Bibliotheksbrände kulturelle Tradierungsprozesse beeinflusst? Wie wird Vergessen unter digitalen Bedingungen erzeugt, wenn man bedenkt, dass die technische Verfallszeit digitaler Medien die zukünftige Lesbarkeit von Daten gefährdet? An dieser Frage arbeiten wir derzeit in dem langfristig angelegten Forschungsvorhaben „Medienphilologie“.

Veröffentlicht

Mittwoch
24. April 2019
08:51 Uhr

Von

Friedrich Balke

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2019 in Rubin 1/2019 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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