Amerikanistik Laura Bieger erforscht das Politische in der amerikanischen Literatur
Die Forscherin fragt nach Beheimatung und Verortung in der Erzählkunst – vom Zeitalter der Sklaverei bis zur Ära Trump.
Wenn Laura Bieger über das Ruhrgebiet spricht, leuchten ihre Augen und sie gerät ins Schwärmen: „Ich liebe die Industriekultur in der Region – und ich liebe den Betoncharme der Ruhr-Universität“, sagt die Forscherin, die international schon viel gesehen und erlebt hat. Sie war Profisportlerin und kam viel herum, sie hatte eine Professur an der Universität Groningen in den Niederlanden inne, sie hat einen Forschungsaufenthalt an der renommierten Harvard University in den USA verbracht, sie wohnt privat in Berlin, zieht nun nach Bochum – und freut sich darauf. Bieger ist Professorin für American Studies am Englischen Seminar der Fakultät für Philologie.
Ernannt wurde sie bereits im Frühjahr 2022 – und sogleich für ein längst geplantes Projekt freigestellt. „Der RUB muss ich ein Kompliment machen, wie pragmatisch und zupackend mir hier geholfen wurde, um mir den Aufenthalt in Harvard zu ermöglichen.“ Pragmatisch und zupackend: Wenn man sich mit Laura Bieger unterhält, kommt man schnell auf den gemeinsamen Nenner, dass dies zwei wesentliche Eigenschaften der RUB sind.
Skandalroman erforscht
In Harvard war Bieger insgesamt 18 Monate mit einem Feodor-Lynen-Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, zuletzt von April bis Juli 2022. Dort hat sie ein Forschungsprojekt über den Roman „Native Son“ von Richard Wright abgeschlossen. „Das war 1940, als er erschien, ein Skandalroman, der wie ein Ruck durch die amerikanische Gesellschaft gegangen ist“, so Bieger. An diesem Beispiel zeigt sich ihr großes Forschungsinteresse: Fragen nach Beheimatung und Verortung in der amerikanischen Erzählliteratur. Darüber hinaus erforscht sie, wie sich Romane zu einem populären Genre entwickelt haben und wie sie den Menschen dabei geholfen haben, sich zu beheimaten.
Ich selbst bin auch großer Fan von dieser Literatur.
Laura Bieger
„Ich selbst bin auch großer Fan von dieser Literatur, schließlich bin ich mit dieser Populärkultur aufgewachsen“, sagt Bieger. Dabei sieht sie in jüngerer Zeit Entwicklungen, die das Politische noch verstärken. „Als das Fernsehen neu kam, hat sich der politische Diskurs verändert – eine weitere große Veränderung gab es durch Social Media. Kunst ist politischer geworden, Künstlerinnen und Künstler werden über Mediengrenzen hinweg aktiv“, erläutert Bieger. „Mit der Trump-Wahl fing es an, dass auch Literatur noch sehr viel politischer geworden ist. Daher erforsche ich die politische Funktion und Dimension von Literatur, aber auch von anderen Künsten, beispielsweise Architektur. Über allem stehen größere kulturwissenschaftliche und philosophische Zusammenhänge: Was ist eigentlich die Funktion von Literatur, von Kunst?“
Neues Projekt zur Underground Railroad geplant
An der RUB will Bieger nun ein neues Forschungsprojekt in Angriff nehmen, bei dem sie im Rahmen der Antragstellung mit Theater- und Medienwissenschaftlern kooperieren wird. Dabei geht es um die „Underground Railroad“, ein Fluchtnetzwerk für versklavte Personen, die im 19. Jahrhundert in den USA aus dem Süden in den Norden geflohen sind. Aus der einstigen Hilfsorganisation ist förmlich eine Gedenkstätte geworden, „genauer gesagt ein ganzes Netzwerk an Gedenkstätten“, so Bieger. „Ich habe großes Glück gehabt, dass ich mich hier an der RUB an einer Initiative zur weiteren Erforschung der Underground Railroad zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fächern beteiligen kann. Das ist ein totales Geschenk für mich und macht meinen Anfang in Bochum umso reicher und vielseitiger.“