Projekt Forschende analysieren Predigten mit maschineller Unterstützung
Inwieweit Recht und Normen die Inhalte von historischen und aktuellen Predigten prägen, untersucht das Projektteam mithilfe von Machine Learning.
In den Medien erfährt die Kirche besonders dann Aufmerksamkeit, wenn Predigten provozieren und politisch oder moralisch diskutiert werden. Oft wird dann argumentiert, dass Predigten zu normativ sind und Menschen etwas vorschreiben wollen. In welchem Umfang und auf welcher Grundlage das in evangelischen Predigten tatsächlich geschieht, ist Gegenstand des Projekts RUNIP, kurz für Recht und Normen in Predigten. Prof. Dr. Cornelia Weins, Inhaberin des Lehrstuhls für Empirische Sozialforschung und Leiterin des Methodenzentrums, und Dr. Markus Totzeck vom Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Evangelischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, der auch als Gemeindepfarrer arbeitet, führen das Projekt durch, das in der Förderlinie „Stärkung der Datenkompetenzen des wissenschaftlichen Nachwuchses“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 457.000 Euro ab Dezember 2022 für drei Jahre gefördert wird.
Wie normativ argumentieren Predigten?
Mit dem Projekt betritt die Predigtforschung Neuland: einerseits in datenwissenschaftlicher Hinsicht, denn die digitale Predigtforschung steht noch ganz am Anfang. Andererseits auch in inhaltlicher Hinsicht: „Von politischen oder ethischen Predigten wird in der Praktischen Theologie häufig gesprochen, nach den eigentlichen normativen beziehungsweise rechtlichen Grundlagen aber selten bis gar nicht gefragt“, so Markus Totzeck. Dabei liege das eigentlich durch die Bezüge zum biblischen Recht nahe. Im Wege stehe aber oft ein sperriger Begriff von Gesetzlichkeit, der sich in der Praktischen Theologie als Negativfolie etabliert habe.
Maschinelles Lernen trifft auf Textkorpusanalyse
Im Projekt wird ein knapp 14.000 Seiten umfassendes historisches Predigtkorpus von Friedrich D. E. Schleiermacher qualitativ und quantitativ ausgewertet und ein Vergleich mit evangelischen Predigten der Gegenwart gesucht. „Hier bieten sich Machine-Learning-Verfahren an, um das gesamte historische Predigtkorpus für die theologische Fragestellung zu erschließen“, ergänzt Sebastian Jeworutzki, Geschäftsführer des Methodenzentrums. Die Entwicklung und Erprobung geeigneter Algorithmen erfordere einen engen interdisziplinären Austausch der Praktischen Theologie mit den Datenwissenschaften, welche im Projekt durch den Data Scientist Valentin Fuchs sichergestellt wird. „Unser Projektteam plant auch eine Netzwerktagung, die sich an einen interdisziplinären Kreis von Nachwuchsforschenden in den Digital Humanities richtet“, kündigt Cornelia Weins an. Die Erfahrungen aus dem Projekt sollen zudem in die Schulungsangebote des Methodenzentrums der Ruhr-Universität für Lehrende, Promovierende und Studierende einfließen.