Nachhaltigkeit Wie die Unibibliothek immer nachhaltiger wird
Dank einfach umzusetzender Maßnahmen beteiligt sich das gesamte Team und auch die studentische Kundschaft hilft kräftig mit.
E-Mails löschen, Korken sammeln, Fernleihe-Aufsätze doppelseitig drucken oder Pflanzen aufstellen – all das haut zunächst niemanden vom Hocker. Doch wie sagt Dr. Vivian Strotmann im Laufe unseres Gespräches so gern: „Kleinvieh macht auch Mist.“ In der Universitätsbibliothek Bochum (UB) treibt sich so gesehen jede Menge Kleinvieh herum. Deshalb wächst und wächst der Haufen der nachhaltigen Maßnahmen.
Bibliotheken sind weitaus progressiver und nachhaltiger als viele Leute annehmen.
Vivian Strotmann
„Bibliotheken sind weitaus progressiver und nachhaltiger als viele Leute annehmen“, sagt Strotmann, in der UB unter anderem Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit. Sie erinnert daran, dass hier Bücher ausgeliehen werden, also durch viele Hände wandern, mehrfach genutzt werden. Außerdem erspart das mittlerweile sehr umfassende Angebot an elektronischen Medien unnötige An- und Abfahrtswege. Natürlich ist das nachhaltig; zudem leistet dieses Prinzip einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit, womit wir auch schon bei den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wären. Diese Ziele hatte Vivian Strotmann vor Augen, als sie 2021 Mitstreitende für eine „AG Nachhaltige UB“ suchte – und fand. „Wir haben zwölf Mitglieder, sieben aktive und fünf passive, die kommen aus allen Bereichen der UB und bringen alle andere Expertisen mit“, erläutert sie.
Die nachhaltige Ecke
Im Großen sucht die AG nach Anknüpfungspunkten zu den 17 Nachhaltigkeitszielen, im Kleinen regt sie viele, viele kleine und niederschwellige Maßnahmen an, stößt damit überall auf offene Ohren und erreicht konkrete Ziele: sowohl bei den Beschäftigten der UB als auch bei der vornehmlich studentischen Kundschaft. Studierende und Beschäftigte liefern brav Korken und alte Handys ab; gesammelt wird in der sogenannten nachhaltigen Ecke – in nicht extra hergestellten Behältern, wie Vivian Strotmann betont – gegenüber der Information. Die Korken wandern zum Repair Café des Asta und die Handys an den NABU; die Korken werden zum Recycling verwendet. Gesammelte Handys werden an ein Telekommunikationsunternehmen weitergegeben, das dem NABU jährlich eine feste Summe spendet, die in den NABU-Insektenschutzfonds fließt.
Heute schon gelöscht?
Ein anderes großes Thema ist das Papier. Die Studierenden geben sich längst mit doppelseitig statt wie früher einseitig bedruckten Fernleih-Aufsätze zufrieden, die UB-Beschäftigten drucken, wenn überhaupt noch, nur noch auf recyceltem Papier. Per Brief werden allenfalls noch allerallerletzte Mahnungen verschickt, der Rest per E-Mail. Apropos E-Mail: Nicht nur beim jährlichen „Digital Clean-up Day“ sollen alle UB-Beschäftigten überflüssig gewordene E-Mails löschen, um Serverkapazität zu sparen. Die UB hat 2023 erstmals beim Aktionstag mitgemacht und ermuntert alle Interessierten, ebenfalls zu überlegen, ob sie „Heute schon gelöscht?“ haben.
Auch bei Giveaways achtet die UB nun verstärkt auf Nachhaltigkeit, Bleistift statt Kugelschreiber zum Beispiel. Mülltrennung, Leitfäden und regelmäßige Infos für die UB-Beschäftigten, ein internes Tauschregal, Vernetzung auf dem Campus und mit anderen Universitätsbibliotheken und ähnliche Maßnahmen kommen noch hinzu. Konkrete Ziele und Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit führen zu einer wachsenden Liste in der UB Bochum umgesetzter Maßnahmen.
Die Geschichte vor der Geschichte
Doch es gibt auch eine Geschichte vor der Geschichte mit der „AG Nachhaltige UB“. Das Ausleihen von Büchern mit all seinen positiven Effekten ist schließlich schon immer das Kerngeschäft sowie Sinn und Zweck einer Bibliothek gewesen. Aber das ist längst nicht alles. „Dass wir vor Gründung der AG auch schon nachhaltig waren, hat zum Teil mit Pragmatismus zu tun“, erläutert Bibliotheksdirektor Dr. Jörg Albrecht.
So begann man im Zuge von notwendigen Renovierungsarbeiten bereits vor zehn Jahren damit, durch die Deckenbeleuchtung nicht ausreichend ausgeleuchtete Einzelarbeitsplätze mit selbstverständlich stromsparenden, umweltfreundlichen LED-Leuchten auszustatten. Mittlerweile gibt es fast 500 davon in der UB. Demnächst soll möglichst auch die gesamte Deckenbeleuchtung mittels LED erfolgen.
Und schließlich sind da noch die Pflanzen im Treppenhaus, die der Biologe Albrecht bereits vor 17 Jahren selbst ausgesucht hat. Robust müssen sie sein, die Pflanzen, auf wenig Licht angewiesen. Pflegebedürftig sind sie gleichwohl. Das Gießen, Düngen, Umtopfen und Beseitigen von überzähligen Trieben übernehmen auf jeder Etage der Bibliothek Patinnen und Paten, sprich UB-Beschäftigte, die jeweils einige wenige Pflanzen betreuen.
Hängende Gärten für das Treppenhaus
Zurecht besonders stolz ist Jörg Albrecht auf die sogenannten hängenden Gärten, nach unten wachsende Pflanzen zwischen mehreren Etagen der UB. Den größten und schönsten dieser Gärten kann man zwischen Ebene 5 und 4 der UB sehen. Die Inspiration für die hängenden Gärten erhielt man durch einen Betriebsausflug in die Stadtbibliothek von Tilburg in den Niederlanden. In diesem umgebauten ehemaligen Lokschuppen beeindruckte die Kombination von industriellem Charme und ausgedehnter Begrünung. Das schien auch für die Denkmal-geschützte UB mit ihrem ikonisch-brutalistischen Treppenhaus genau passend – und so wachsen die hängenden Gärten nun nach und nach in die Tiefe.
Was genau hat es denn mit all den Pflanzen auf sich? Ganz einfach, meint Jörg Albrecht: „Sie verbessern das Raumklima, erhöhen das Wohlbefinden und die Aufenthaltsqualität für unsere Kundinnen und Kunden.“ – Gesundheit und Wohlbefinden ist das dritte der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele. Die hängenden Gärten sind also nicht nur schön, sondern auch sinnvoll.