Biophysik Klaus Gerwert erhält Innovationspreis des Landes NRW
Neurodegenerative Erkrankungen im frühen Stadium erkennen – das wird Dank der Forschung des Biophysikers möglich.
Für seine herausragende wissenschaftliche Leistung wurde der Biophysiker Prof. Dr. Klaus Gerwert am 25. September 2023 mit dem Innovationspreis des Landes Nordrhein-Westfalen geehrt. Der Gründungsdirektor des Zentrums für Proteindiagnostik (PRODI) der Ruhr-Universität gewann den mit 100.000 Euro dotieren Hauptpreis für seinen prognostischen Alzheimer-Test. Der Innovationspreis NRW ist nach dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten die höchstdotierte Auszeichnung dieser Art in Deutschland und wurde von Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, übergeben.
„Ihren Durchbruch kann ich gar nicht in Worte fassen", so die Ministerin in ihrer Laudatio. „Sie ermöglichen mit Ihrer Innovation, dass wir Leid abwenden können und Betroffenen ihre Selbstbestimmung zurückzugeben. Ihre Arbeit stellt eine besondere Leistung für unsere älterwerdende Gesellschaft dar. Als Wirtschaftsministerin bin ich beeindruckt, wie Sie die exzellente Wissenschaft an der Ruhr-Universität durch ihre Ausgründung betaSENSE mit der Wirtschaft verbinden. Dadurch geben Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Nordrhein-Westfalen den Mut, an sich und ihre Teams zu glauben.“
Sensor erkennt Alzheimer im symptomfreien Zustand
In seiner Arbeit erforscht Klaus Gerwert die molekularen Funktionsweisen und Dynamiken von Proteinen. Ausgezeichnet wird der Forscher für seine neuen Ansätze zur Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen, wie Alzheimer und Parkinson, in Körperflüssigkeiten. Klaus Gerwert ist es gelungen, einen Bluttest zu entwickeln, der Anzeichen für die Alzheimer-Krankheit 17 Jahre vor Auftreten erster klinischer Symptome diagnostiziert. Bei Morbus Alzheimer kommt es zu einer Fehlfaltung des Amyloid-Beta-Proteins, das im weiteren Verlauf der Krankheit zu toxischen Ablagerungen im Gehirn, sogenannten Amyloid Plaques, führt. Der von Klaus Gerwert und seinem Team entwickelte Immuno-Infrarot-Sensor ermittelt die Fehlfaltung von Proteinbiomarkern. Indem die Zunahme von fehlgefalteten, toxischen Amyloid-Beta-Proteine in Körperflüssigkeiten bestimmt wird, kann das Risiko einer späteren klinischen Erkrankung bereits im symptomfreien Zustand ermittelt werden.
Frühzeitiger Therapiebeginn verringert Krankheitsfälle
Morbus Alzheimer ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung. Zwei bereits in den USA zugelassene Medikamente versprechen, die Erkrankung im klinischen Frühstadium zu verlangsamen. Der Alzheimer-Bluttest stellt dank der frühen und präzisen Diagnose den Schlüssel zum erfolgreichen Einsatz der Medikamente dar. Ein Therapiebeginn im symptomfreien Zustand, noch bevor der Gedächtnisverlust einsetzt, wird Erkrankung womöglich stoppen können.
Früherkennungstest für die alternde Gesellschaft
Mit seinem 2021 gegründeten Start-up betaSENSE verfolgt Klaus Gerwert das Ziel, den Immuno-Infrarot-Sensor zur Diagnose von Alzheimer Demenz zur Markreife zu bringen. Daran arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Ingenieuren, Biophysikern, Bioinformatikern, Chemikern und Molekularbiologen. Der Fehlfaltungstest soll in wenigen Jahren als Früherkennungstest der alternden Gesellschaft zur Verfügung stehen und dann auch andere neurodegenerative Erkrankungen diagnostizieren können. Ein Beispiel ist die Parkinson-Erkrankung, die bereits in einer klinischen Studie in Nervenwasser präzise erkannt werden konnte. Ähnlich wie das Amyloid-Beta bei Alzheimer wird hier das α-Synuclein Protein fehlgefaltet und lagert sich im Gehirn als Lewy Körperchen ab. Der Immuno-Infrarot Sensor ist eine Sprunginnovation. Als Erweiterungen von bisher eingesetzten indirekten Konzentrationsmessungen als Test kann die Fehlfaltung von Protein-Biomarkern direkt in Körperflüssigkeiten nachwiesen werden.