Hirnforschung Schubladendenken – wie das Gehirn die Welt sortiert
Neurowissenschaftler haben untersucht, was im Gehirn passiert, wenn wir die Welt um uns herum ordnen. Sie fanden heraus, welche Gehirnareale uns beim Schubladendenken helfen.
Die Welt um uns herum ist komplex und verändert sich ständig. Um sie zu ordnen, bilden wir Kategorien oder Schubladen, in die wir Neues einsortieren. Dafür wenden wir verschiedene Strategien an. Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Prof. Dr. Boris Suchan, Abteilung für Neuropsychologie, und Prof. Dr. Onur Güntürkün, Abteilung für Biopsychologie, wollten wissen, welche Bereiche im Gehirn diese Strategien steuern.
Die Ergebnisse der Untersuchungen mithilfe der Magnetresonanztomographie deuten darauf hin, dass es tatsächlich Gehirnareale gibt, die besonders aktiv sind, wenn eine bestimmte Kategorisierungsstrategie angewendet wird.
Wenn wir Objekte anhand eines Prototyps einordnen, ist der linke Gyrus Fusiformis aktiv, ein Bereich des Gehirns, der für das Erkennen abstrakter Objekte zuständig ist. Beim Abgleichen mit konkreten Beispielen einer Kategorie wird der rechte Hippocampus aktiviert, ein Areal, das eine wichtige Rolle spielt, wenn Erinnerungen gespeichert und abgerufen werden.
Schubladen reduzieren Informationslast
In Schubladen zu denken hilft dem Gehirn, eine sich ständig ändernde Welt zu sortieren und so die Informationslast zu reduzieren. In der Kognitionswissenschaft spricht man dabei von zwei unterschiedlichen Strategien: die Ausnahme-Strategie und die Prototyp-Strategie.
Will man also herausfinden, ob ein bestimmtes Tier in die Kategorie „Vogel“ passt, würde man gemäß der Prototyp-Strategie zunächst einen allgemeinen, abstrakten „Vogel“ als Vergleich hernehmen. Dieser weist die wichtigsten Merkmale der Kategorie auf, zum Beispiel Schnabel, Flugfähigkeit oder Federn.
Wenn jedoch eine Ausnahme, wie zum Beispiel ein Strauß oder ein Pinguin, kategorisiert werden muss, würde diese Strategie nur schlecht funktionieren. Dann greift die Ausnahme-Strategie, die das Tier mit einer Vielzahl an verschiedenen und ganz unterschiedlich aussehenden Beispielen vergleicht, die bereits der Kategorie zugeordnet wurden. So können auch die entfernten Verwandten einer Kategorie richtig zugeordnet werden.
Komplexes Zusammenspiel
Um zu untersuchen, wo das Gehirn aktiv ist, wenn es sortiert, haben die Bochumer Neurowissenschaftler Probanden bei einer Kategorisierungsaufgabe im MRT gescannt. Die Aktivierungsmuster im Gehirn zeigen, dass beide Strategien von unterschiedlichen Gehirnarealen gesteuert werden.
Die Forscher vermuten, dass zwischen beiden Lernmustern ein komplexes Wechselspiel besteht. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass für beide Strategien jeweils eigene Bereiche im Gehirn zuständig sind. Im Verlauf des Lernens haben wir aber auch festgestellt, dass sich der Rhythmus der Aktivierung bei beiden Arealen angleicht. Das deutet darauf hin, dass sich die zu Grunde liegenden Denkprozesse nicht sauber trennen lassen“, erklärt Boris Suchan.
Weitere Modelle und Untersuchungen sollen dieses Zusammenspiel nun näher untersuchen.