Geowissenschaften Urbanes Grün und Blau
Wie grün das Ruhrgebiet verglichen mit anderen Metropolen wirklich ist.
Viele Metropolen werben mit ihrem vielen Grün: Parkanlagen, Wald, Flüsse und Seen stehen für eine gute Lebensqualität. Weil der bisherige Vergleich auf irreführenden Messmethoden fußte, hat Ludwig Groß in seiner Masterarbeit am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum (RUB) eine verlässlichere Herangehensweise entwickelt. Sein Vergleich zeigt: Das Ruhrgebiet steht gegenüber anderen Metropolen gut da – ist streng genommen aber nicht Spitze, was seinen Grünanteil angeht.
Neues Messverfahren
Für den Vergleich des städtischen Grüns wurden bisher meistens räumliche Verwaltungseinheiten genutzt. Das führte dazu, dass teils Flächen um Städte herum mit bewertet wurden, die eigentlich gar nicht mehr zur Stadt gehören. Das verfälschte die Ergebnisse. „Dorsten, Marl und Haltern zum Beispiel gehören natürlich zum Ruhrgebiet, sind aber isolierte Siedlungskerne, die durch landwirtschaftliche Flächen vom zusammenhängenden Stadtraum des Ruhrgebiets abgegrenzt sind“, erläutert Ludwig Groß.
Er entwickelte ein neues Verfahren, mit dem er für alle Metropolen auf der einheitlichen Datengrundlage des „Urban Atlas“ der Europäischen Union die zusammenhängenden, tatsächlich verstädterten Gebiete automatisiert abgrenzen konnte. Dabei zog er die Gebietsgrenzen so, dass die fußläufig erreichbaren Grün- und Wasserflächen an den Rändern eingeschlossen sind. Anschließend ermittelte er für die urbanen Gebiete den Flächenanteil an grüner Infrastruktur und dessen räumliche Verteilung.
Ruhrgebiet auf dem dritten Platz
Ergebnis: Beim relativen Anteil an grüner Infrastruktur nimmt das Ruhrgebiet gemeinsam mit Hamburg (beide 19,7 Prozent) den dritten Platz hinter Köln (24,4 Prozent) und Madrid (21,4 Prozent) ein. Gemessen daran, wie gut die Wohnbevölkerung ins Grüne gelangen kann, rangiert das Ruhrgebiet insgesamt auf dem zweiten Platz hinter Köln und weit vor den anderen Metropolen. Die Schlussgruppe bilden Berlin, Paris und Rom.
Gut durchgrünt
Um zu ermitteln, wie das Grün in der Stadt verteilt ist, unterteilte Ludwig Groß die Städte in ein Quadratkilometer große Zellen und klassifizierte die Anteile der grünen Infrastruktur. Gemessen an der Anzahl der Zellen mit guter Ausstattung resultiert für das Ruhrgebiet ein Platz im Mittelfeld; Köln und Madrid gehen wieder voran. Weit abgeschlagen landet Rom auf dem letzten Platz. „Es fällt auf, dass der Anteil der Flächen ohne grüne Infrastruktur im Ruhrgebiet besonders gering ist“, so Ludwig Groß. „Das spricht für eine gute Durchgrünung. Gleichwohl ist bei alledem nichts über die ökologische Qualität und die qualitative Ausstattung im Hinblick auf die Erholungswirksamkeit ausgesagt.“
Vorausschauende Planung in Köln und Hamburg
„Die Spitzenstellung Kölns geht auf die vorausschauende Planung städtischer Grünflächen in den 1920er-Jahren und das blaue Band des Rheins zurück“, erklärt der Betreuer der Masterarbeit, Prof. Dr. Harald Zepp. Ähnliches gilt für Hamburg, wo nach dem Ersten Weltkrieg eine strategisch vorausschauende Grünplanung betrieben wurde, und wo das Elbufer zumindest eine Positionierung im Mittelfeld begründet. Ganz anders dagegen in Madrid: Dort profitiert die Stadt noch heute von den Vorlieben des Adels des 16. Jahrhunderts. Wegen der königlichen Jagdgründe wurde Madrid damals zur Hauptstadt erkoren.
Weichen müssen gestellt werden
Die Position des Ruhrgebiets hat sich in den letzten Jahrzehnten durch die Umwandlung von Zechen- und Stahlwerksbrachen in Parkanlagen und die Entwicklung von Industriewäldern verbessert. „Heute müssen wieder Weichen gestellt werden, damit die Attraktivität der Metropole Ruhr steigt“, so Zepp. Substantielle Teile der 1966 festgelegten regionalen Grünzüge sind in den vergangenen Jahrzehnten in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt worden. „Essen als die Grüne Hauptstadt Europas, der Regionalplan für das Ruhrgebiet und die Internationale Gartenausstellung 2027 sind Anlass genug, über wirkungsvolle und nachhaltige Konzepte zum Ausbau der Grünen Infrastruktur nachzudenken“, meint Zepp.