Neues Projekt Die Datensammlung der Geheimdienste im Kalten Krieg
Elektronische Systeme brachten neue Möglichkeiten mit sich. Wie reagierte die Gesellschaft?
Wie Geheimdienste im Kalten Krieg elektronische Systeme genutzt haben, um Daten verdächtig erscheinender Personen und Organisationen zu sammeln, erforscht das Team eines neuen Projekts an der Ruhr-Universität Bochum. Im Fokus stehen vor allem die gesellschaftlichen Reaktionen auf die Praktiken des westdeutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz und des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Vorhaben, das sich auf die Zeit von Ende der 1960er-Jahre bis Ende der 1980er-Jahre konzentriert, mit 461.000 Euro von Juni 2018 bis August 2021. Antragsteller waren Prof. Dr. Constantin Goschler, Professur für Zeitgeschichte, und Prof. Dr. Michael Wala, Professur Geschichte Nordamerikas.
Bedürfnisse von Staat und Öffentlichkeit im Widerspruch
„Datenverarbeitungssysteme in geheimen Nachrichtendiensten bilden bislang weitgehend eine terra incognita der zeithistorischen Forschung und ebenso der Geschichte der transatlantischen Beziehungen“, erklären die Forscher. In liberalen Demokratien gibt es einen zentralen Konflikt zwischen der Öffentlichkeit, die den Schutz persönlicher Daten fordert, und dem Staat, der private Daten sammelt, um seinem Sicherheitsversprechen nachzukommen. Wie, warum und auf welche Weise sich dieser Konflikt im Lauf der Zeit verändert hat, ist Gegenstand des Forschungsprojekts.
Konkret wollen die Wissenschaftler klären, wie sich das Sicherheitsverständnis in transatlantischer Perspektive gewandelt hat, inwieweit Mitarbeiter der Nachrichtendienste auf beiden Seiten des Atlantiks kooperierten und inwieweit der zunehmende Einsatz elektronischer Speicherungs- und Auswertungsmöglichkeiten von Personendaten auf diesen Wandel reagierte oder diesen gar formte. Sie wollen auch ergründen, wie behördliche Praktiken durch das Speichern und Organisieren von Wissen dazu beitrugen, dass sich Feindbilder in der Gesellschaft bildeten oder auf der transatlantischen Ebene entstanden.
Teilprojekte zur Bundesrepublik und zu den USA
Das Projekt trägt den Titel „Sicherheit, Demokratie und Transparenz. Nadis, Hydra und die Anfänge der elektronischen Datenverbundsysteme in der Bundesrepublik und den USA“ und ist in zwei Teilstudien gegliedert. An der Professur für Zeitgeschichte widmet sich Doktorand Christopher Kirchberg der Frage, welche Rolle das nachrichtendienstliche Informationssystem des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Hinblick auf Transparenz und Sicherheit in der Bundesrepublik spielte – vom Aufkommen der Neuen Linken bis zum Ende des Kalten Krieges.
Das zweite Teilprojekt bearbeitet Dr. Jens Wegener an der Professur für die Geschichte Nordamerikas. Es behandelt die amerikanischen Sicherheitsdatenbanken und die Visibilisierungskrise vom Vietnamkrieg bis zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus.