Biologie Wie sich Pilze sexuell entwickeln
Viele verschiedene Enzyme sind an der Entwicklung von Zellen beteiligt. Forscher haben nun eines identifiziert, das eine zentrale Rolle spielt.
Biologen der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Göttingen haben neue Erkenntnisse gewonnen, wie sich Zellen von Pilzen durch das Wirken bestimmter Enzyme spezialisieren. An dem mikroskopisch kleinen Pilz Sordaria macrospora zeigten sie, dass das Enzym KIN3 verschiedene zelluläre Signalwege miteinander verknüpft, die an Entwicklungsprozessen beteiligt sind. Es ist entscheidend für die sexuelle Entwicklung des Organismus.
Das Team um Dr. Daria Radchenko und Prof. Dr. Ulrich Kück vom Bochumer Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik berichtet über die Studie in der Zeitschrift Genetics, die dem Thema das Cover der Septemberausgabe 2018 widmete.
Ähnlich bei Pilzen und bei Tieren
KIN3 ist eine sogenannte Germinal Center Kinase; diese Gruppe von Enzymen kommt bei allen Organismen mit Zellkern vor. Sie steuern essenzielle Entwicklungsprozesse wie Zellwachstum und -differenzierung. „Die Kinasen verschiedenster Lebewesen, etwa von Tieren und Pilzen, haben ähnliche strukturelle und funktionelle Eigenschaften“, sagt Daria Radchenko. „Deshalb liefern Untersuchungen bei einfachen mikrobiellen Organismen auch Erkenntnisse über die entsprechenden Proteine bei Säugern.“
Mutanten waren steril
In ihrer Doktorarbeit analysierte Radchenko verschiedene Vorgänge, die während der Entwicklung des Schlauchpilzes Sordaria macrospora zu einer Spezialisierung der Zellen führen. Sie erzeugte Mutanten des Pilzes, die das Enzym KIN3 nicht ausbilden konnten, und zeigte so, dass KIN3 entscheidend an der sexuellen Entwicklung beteiligt ist. Mutanten ohne das Enzym bleiben steril.
In weiterführenden Studien mit Mehrfachmutanten zeigte sich, dass KIN3 mehrere Signalkaskaden, die bei allen Lebewesen mit Zellkern für Entwicklungsprozesse entscheidend sind, miteinander verknüpft. Fluoreszenzmikroskopische Versuche ergaben, dass die Zellstruktur in diesen Mutanten drastisch verändert war; sie konnten keine Querwände ausbilden. Dadurch kam es zu weitreichenden Entwicklungsstörungen.
Rückschlüsse auf Säugetiere
Damit sich ein Organismus koordiniert entwickeln kann, müssen die Signalmoleküle in der Zelle richtig räumlich und zeitlich verteilt sein. In Mutanten ohne KIN3, so folgern die Autoren der Studie, scheint die korrekte Verteilung auszubleiben; das Resultat sind Fehlbildungen des Organismus.
„Generell ist es auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Ergebnisse möglich, auf zelluläre Prozesse bei Säugern zurückzuschließen, bei denen der Verlust des entsprechenden Enzyms zu neuronalen Entwicklungsstörungen, Leukämie oder Karzinomen führt“, sagt Ulrich Kück. „Unsere Daten geben Einblicke in die mechanistischen Grundlagen dieser Krankheitsbilder, woraus sich neue therapeutische Ansätze entwickeln lassen.“