Dr. Verian Bader und Ana Sánchez Vicente sind Teil des Forschungsteams um Prof. Dr. Konstanze Winklhofer (im Hintergrund), das die neue Funktion des Lubac-Systems aufdeckte. © RUB, Marquard

Biochemie Wie Nervenzellen fehlgefaltete Proteine kontrollieren

Die Huntington-, Parkinson- und weitere Erkrankungen gehen mit der Fehlfaltung und Aggregation von Proteinen einher. Forscher haben einen Mechanismus entdeckt, wie sich Zellen schützen – ein Ansatz für die Therapie.

Forscherinnen und Forscher haben einen Proteinkomplex identifiziert, der fehlgefaltete Proteine markiert, von schädlichen Interaktionen mit anderen Proteinen in der Zelle abhält und sie zur Entsorgung dirigiert. Wie der sogenannte Linear Ubiquitin Chain Assembly Complex, kurz Lubac, in die Kontrolle fehlgefalteter Proteine in Zellen involviert ist, untersuchte ein interdisziplinäres Team unter Federführung von Prof. Dr. Konstanze Winklhofer, Ruhr-Universität Bochum (RUB), in Kollaboration mit der Abteilung Neurologie des St. Josef-Hospitals der RUB sowie mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried.

Die Gruppe erhofft sich einen neuen Ansatz für die Therapie von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Chorea Huntington, die mit fehlgefalteten Proteinen assoziiert sind. Das Team um Prof. Dr. Konstanze Winklhofer vom Bochumer Lehrstuhl Molekulare Zellbiologie berichtet die Ergebnisse in „The Embo Journal“, online vorab veröffentlicht am 18. März 2019.

Neue Funktion für Proteinkomplex

Aus früheren Studien war bekannt, dass der Proteinkomplex Lubac Signalwege der angeborenen Immunantwort reguliert, die über den Transkriptionsfaktor NF-kB vermittelt werden. Beispielsweise kann Lubac rekrutiert werden, um an Bakterien in den Zellen zu binden, dort NF-kB zu aktivieren und so die Immunantwort in Gang zu bringen.

„Unsere Studie zeigt eine bisher unbekannte Rolle des Lubac-Systems“, sagt Konstanze Winklhofer, die Mitglied im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, kurz Resolv, ist. „Scheinbar erkennt Lubac fehlgefaltete Proteine als gefährlich, markiert sie mit linearen Ubiquitin-Ketten und macht sie dadurch unschädlich für Nervenzellen.“ Anders als die Reaktion auf Bakterien ist diese Funktion von Lubac unabhängig vom Transkriptionsfaktor NF-kB.

Aggregate fehlgefalteter Proteine sind für Zellen toxisch, weil sie verschiedene Prozessen stören. Unter anderem besitzen sie eine interaktive Oberfläche, die andere für die Zelle essenzielle Proteine bindet und diese so außer Gefecht setzt. Das stört die Funktion der Nervenzellen, sie sterben ab.

Proteininteraktionen verhindern

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten den oben beschriebenen Mechanismus am Beispiel des Proteins Huntingtin aufklären, dessen Fehlfaltung zu Chorea Huntington führt. Das Anheften von linearen Ubiquitin-Ketten an aggregiertes Huntingtin schützt die Aggregate vor unerwünschten Interaktionen in der Zelle, und sie können leichter abgebaut werden. Bei Huntington-Patienten ist das Lubac-System allerdings gestört, wie das Team zeigen konnte.

Dreidimensionale mikroskopische Aufnahme

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Diese dreidimensionale mikroskopische Aufnahme zeigt Nervenzellen (grau) mit einem Aggregat des Proteins Huntingtin (grün), das durch lineare Ubiquitin-Ketten (rot) markiert ist. In Blau sind die Zellkerne zu sehen. Die Aufnahme entstand mittels Structured Illumination Super-Resolution Microscopy.

Diese Einblicke gewannen die Forscherinnen und Forscher mit einer Kombination von zellbiologischen und biochemischen Methoden mit Techniken der hochauflösenden Mikroskopie (Structured Illumination Super-Resolution Microscopy).

Mechanismus funktioniert für verschiedene Proteine

Die Schutzwirkung von Lubac beschränkt sich nicht auf Huntingtin-Aggregate. Die Forscher fanden lineare Ubiquitin-Ketten auch an Proteinaggregaten, die bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen, zum Beispiel der Amyotrophen Lateralsklerose.

„Das Anheften der linearen Ubiquitin-Ketten ist ein hoch spezifischer Prozess, da nur ein einziges Protein – nämlich eine Lubac-Komponente – diesen Prozess vermitteln kann“, erklärt Konstanze Winklhofer. „Daraus können Strategien für neue therapeutische Ansätze entstehen.“

In künftigen Studien will das Team kleine Moleküle identifizieren, die die lineare Ubiquitinierung beeinflussen können, und testen, ob diese positive Effekte auf die Neurodegeneration haben. „Bis zur Entwicklung eines Medikaments ist es aber noch ein weiter Weg“, so Konstanze Winklhofer.

Förderung

Die Arbeiten wurden finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzcluster Resolv (Bochum) und Synergy (München) sowie durch die Projekte mit den Fördernummern WI 2111/4-1 und WI 2211/6. Weitere Förderung kam von der Hans-und-Ilse-Breuer-Stiftung und der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (F832R-2014). Das SR-SIM-Mikroskop wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Land NRW finanziert (INST 213/840-1 FUGG).

Originalveröffentlichung

Eva van Well, Verian Bader et al.: A protein quality control pathway regulated by linear ubiquitination, in: The EMBO Journal, 2019, DOI: 10.15252/embj.2018100730

Pressekontakt

Prof. Dr. Konstanze F. Winklhofer
Lehrstuhl Molekulare Zellbiologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 28428
E-Mail: konstanze.winklhofer@rub.de

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Veröffentlicht

Mittwoch
27. März 2019
08:05 Uhr

Von

Julia Weiler

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