Chemie Wie zwei Wassermoleküle miteinander tanzen
Obwohl Wasser allgegenwärtig ist, ist die Wechselwirkung zwischen einzelnen Wassermolekülen bislang nicht vollständig verstanden.
Ein internationales Forschungsteam hat neue Erkenntnisse zu der Interaktion von Wassermolekülen gewonnen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten erstmals alle Bewegungen zwischen den Wassermolekülen, die sogenannten intermolekularen Schwingungen, vollständig beobachten. Von besonderer Bedeutung ist eine bestimmte Bewegung einzelner Wassermoleküle gegeneinander, die sogenannte gehinderte Rotationsbewegung. Die Erkenntnisse helfen unter anderem, die Energielandschaft der Moleküle besser zu bestimmen und somit die merkwürdigen Eigenschaften des Wassers besser zu verstehen.
Die Arbeiten beschreibt das Team um Prof. Dr. Martina Havenith von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Joel Bowman von der Emory University in Atlanta zusammen mit Kollegen der Radboud University in Nimwegen und der Université de Montpellier in der Zeitschrift „Angewandte Chemie International Edition“ vom 27. Juli 2019.
Unbekannte Wechselwirkungen
Wasser ist das wichtigste Lösungsmittel in der Chemie und Biologie und besitzt eine Reihe von merkwürdigen Eigenschaften – zum Beispiel, dass es seine größte Dichte bei vier Grad Celsius erreicht. Verantwortlich dafür sind die speziellen Wechselwirkungen zwischen den Wassermolekülen. „Diese Wechselwirkungen zu beschreiben stellt die Forschung seit Jahrzehnten vor eine Herausforderung“, sagt Martina Havenith, Leiterin des Bochumer Lehrstuhls für Physikalische Chemie II und Sprecherin des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation (Resolv).
Versuche bei extrem tiefen Temperaturen
Das Team untersuchte die einfachste denkbare Wechselwirkung, nämlich zwischen genau zwei einzelnen Wassermolekülen, mittels Terahertz-Spektroskopie. Dabei schicken die Forscherinnen und Forscher kurze Strahlungspulse im Terahertz-Bereich durch die Probe, welche einen Teil der Strahlung absorbiert. Das Absorptionsmuster verrät etwas über die Anziehung zwischen den Molekülen. Für die Versuche war ein Laser mit besonders starker Leuchtkraft erforderlich, wie er in Nimwegen zur Verfügung steht. Die Wassermoleküle analysierten die Forscher bei extrem tiefen Temperaturen. Dazu lagerten sie nacheinander einzelne Wassermoleküle bei 0,37 Kelvin in einen winzigen Tropfen aus superflüssigem Helium ein. Dieser Tropfen funktioniert wie ein Staubsauger, der einzelne Wassermoleküle einfängt. Aufgrund der niedrigen Temperatur kommt es zu einer stabilen Bindung von zwei Wassermolekülen zueinander, die bei Zimmertemperatur nicht stabil wäre.
Mit diesem Versuchsaufbau konnte die Gruppe erstmals ein Spektrum der gehinderten Rotationsbewegung von zwei Wassermolekülen aufnehmen. „Wassermoleküle bewegen sich permanent“, erklärt Martina Havenith. „Sie drehen, öffnen und schließen sich.“ Ein Wassermolekül, das ein zweites Wassermolekül in seiner Nähe hat, kann sich jedoch nicht frei drehen – daher spricht man von gehinderter Rotationsbewegung.
Eine mehrdimensionale Energielandkarte
Die Wechselwirkung der Wassermoleküle lässt sich auch in Form des sogenannten Wasserpotenzials darstellen. „Das ist eine Art mehrdimensionale Landkarte, die vermerkt, wie sich die Energie der Wassermoleküle ändert, wenn sich zwischen den Molekülen die Abstände oder Winkel zueinander ändern“, beschreibt Martina Havenith. Aus dem Wasserpotenzial lassen sich alle Eigenschaften, beispielsweise Dichte, Leitfähigkeit oder Verdampfungstemperatur, ableiten. „Unsere Messungen erlauben nun den bestmöglichen Test aller bisher entwickelten Potenziale“, resümiert die Forscherin.