Wasser hat einige ungewöhnliche Eigenschaften: Eisberge schwimmen zum Beispiel auf der Wasseroberfläche, weil die Dichte von gefrorenem Wasser geringer ist als von flüssigem Wasser.
© Julia Weiler

Chemie Tanz von drei Wassermolekülen beobachtet

Wasser sieht zwar wie eine einfache Flüssigkeit aus, ist aber alles andere als leicht zu analysieren. Doch nur wenn man das Zusammenspiel der Moleküle versteht, sind die besonderen Eigenschaften von Wasser zu erklären.

Neue Erkenntnisse zu den Eigenschaften von Wasser hat ein internationales Forschungsteam um Prof. Dr. Martina Havenith von der Ruhr-Universität Bochum auf molekularer Ebene gewonnen. In der Zeitschrift Angewandte Chemie beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Interaktionen von drei Wassermolekülen mit zuvor unerreichter Genauigkeit. Die Ergebnisse helfen, die Energielandschaft der Wassermoleküle und somit auch ihre Eigenschaften besser zu verstehen und unter bestimmten, auch extremen Bedingungen vorhersagen zu können. Der Artikel ist am 19. April 2020 online erschienen.

Interaktion über Vibrationsschwingungen

Obwohl Wasser auf den ersten Blick eine denkbar einfach aufgebaute Flüssigkeit zu sein scheint, hat es einige ungewöhnliche Eigenschaften, zum Beispiel ist seine Dichte in gefrorenem Zustand geringer als in flüssigem Zustand. Flüssigkeiten werden normalerweise sehr gut durch das paarweise Zusammenspiel eines Moleküls mit seinem direkten Interaktionspartner beschrieben, was in der Regel für eine gute Charakterisierung ausreichend ist. Es reicht also zu betrachten, wie zwei Moleküle wechselwirken – allerdings nicht bei Wasser.

Die paarweise Interaktion zwischen jeweils zwei Wassermolekülen macht 75 Prozent der Energie aus, die Wasser zusammenhält. Um die restlichen 25 Prozent zu verstehen, muss die Interaktion von drei Molekülen betrachtet werden. In einer 2019 veröffentlichten Arbeit hatte Martina Havenith, Leiterin des Bochumer Lehrstuhls für Physikalische Chemie II und Sprecherin des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation, zusammen mit Kollegen der US-amerikanischen Emory University in Atlanta eine exakte Beschreibung der Interaktionen zweier Wassermoleküle veröffentlicht.

In der aktuellen Arbeit kooperierte das Team von der Ruhr-Universität Bochum und der Emory University mit einer US-amerikanischen Gruppe der University of Mississipi, um erstmals eine akkurate Beschreibung der Interaktionsenergie zwischen drei Wassermolekülen zu liefern.

Methodische Hürden bei experimenteller Untersuchung

Seit 40 Jahren haben Forscherinnen und Forscher sich der Interaktionsenergie in einem Verbund von drei Wassermolekülen mit Computermodellen und Simulationen genähert. Experimente gestalteten sich jedoch lange schwierig.

Die Interaktionen von Molekülen werden mittels ihres spektroskopischen Fingerabdrucks vermessen. Dabei nutzen die Forscher intensive Strahlung eines sogenannten Freien Elektronenlasers und messen, wie viel Licht beim Durchtritt durch die Probe bei bestimmten Wellenlängen absorbiert wird. Aus dem erhaltenen Absorptionsmuster können sie auf die unterschiedlichen Vibrationsschwingungen in der Probe zurückschließen und somit auf die Energie, die in diesen Interaktionen steckt. Um die Interaktion zwischen zwei oder drei Wassermolekülen zu untersuchen, braucht es Wellenlängen im Terahertzbereich. Strahlungsquellen, die dieses Licht erzeugen können, sind noch nicht lange verfügbar.

Wassermoleküle in einem Heliumtropfen

Für die vorliegende Publikation nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Laser mit besonders starker Leuchtkraft im Terahertz-Bereich an der Radboud-Universität Nimwegen. Das Laserlicht strahlten die Forscher in einen winzigen Tropfen aus flüssigem Helium bei extrem tiefen Temperaturen von minus 272,75 Grad Celsius ein, in dem sie Wassermoleküle Schritt für Schritt zusammenlagern können. Stimmt die Frequenz des eingestrahlten Lichts, kommt es zur Aufnahme der Energie in den Miniwassertropfen So konnten die Forscherinnen und Forscher gezielt die Interaktion einer bestimmten Anzahl von Molekülen untersuchen. Zur Interpretation der Daten zog die Gruppe komplexe Computersimulationen heran, mit deren Hilfe sie im Absorptionsmuster sechs bestimmte Arten von niederfrequenten Schwingungen identifizierte.

Förderung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen des Exzellenzclusters Resolv (EXC 2033 – 390677874). Die theoretischen Arbeiten an der Emory University wurden von der Nasa (Grantnummer NNX16AF09G) unterstützt, die theoretischen Arbeiten an der University of Mississippi von der National Science Foundation (Grantnummer CHE-1664998). Außerdem wurden Ressourcen des Mississippi Center for Supercomputing Research genutzt.

Originalveröffentlichung

Martina Havenith-Newen, Raffael Schwan, Chen Qu, Devendra Mani, Nitish Pal, Gerhard Schwaab, Joel M. Bowman, Gregory Tschumper: Observation of the low frequency spectrum of water trimer as a sensitive test of the water trimer potential and the dipole moment surface, in: Angewandte Chemie International Edition, 2020, DOI: 10.1002/anie.202003851

Pressekontakt

Prof. Dr. Martina Havenith
Physikalische Chemie II
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28249
E-Mail: pc2office@rub.de

Veröffentlicht

Freitag
24. April 2020
09:13 Uhr

Von

Julia Weiler (jwe)
Emiliano Feresin

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