Wirtschaftswissenschaft EU-Green-Deal-Ziel erfordert eine Verdopplung des Aufwands
Energieexperte hat drei Empfehlungen für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.
Graham Weale, Honorarprofessor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft und am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (Cure) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat in einer Studie die EU-Klimapolitik einem Realitäts-Check unterzogen. „Die Ergebnisse sind besorgniserregend“, so Weale, „und verdeutlichen, um wie viel der gesamte Aufwand erhöht werden muss, um die Ziele zu erreichen.“ Rechnet man die Ergebnisse der bisherigen Anstrengungen hoch, wird bis 2030 nur eine Senkung der Treibhausgasemissionen von 37 Prozent gelingen. „Möchte man hingegen das 40-Prozent-Ziel erreichen, müsste der Aufwand für den Bau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und für Energieeffizienzmaßnahmen um 20 Prozent steigen. Wollte man den CO2-Aussstoß wie im geplanten Green Deal um 55 Prozent reduzieren“, so Graham Weale, „müsste sich der heutige Aufwand in Zukunft verdoppeln.“
Erneuerbare Energien im Abwärtstrend
Die Studie zeigt für den Zeitraum 2005 bis 2018, dass in der EU CO2-Reduktion vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien (62 Prozent), die Substitution klimaschädlicher Energieträger (25 Prozent) und die Steigerung der Energieeffizienz (13 Prozent) erreicht wurde.
Pessimistisch stimmt den Forscher, dass schon vor der Coronakrise die jährliche Ausbaurate und die Aufwendungen bei erneuerbaren Energien auf das Niveau von vor 2012 gesunken sind. „Die Daten der Internationalen Energieagentur belegen, dass die jährlichen Ausgaben für erneuerbare Energien seit 2012 um 50 Prozent gesunken sind“, so Weale. Finanzielle Engpässe aufgrund der Coronakrise würden diesen Effekt noch verstärken.
Stillgelegte Kraftwerke müssen kompensiert werden
Hinzu kommt, dass selbst bei einer gleichbleibenden Ausbaurate für erneuerbare Energien der Effekt gegenüber früheren Jahren sinken würde, denn bis 2030 werden die Kernkraftwerkstilllegungen gegenüber der Vorperiode um 50 Prozent erhöht, und dieser Ausfall muss durch zusätzliche Kapazität bei den erneuerbaren Energien kompensiert werden. Darüber hinaus muss die erste Generation von Anlagen für erneuerbare Energien in naher Zukunft ersetzt werden.
Großes Fragezeichen über der EU-Wasserstoffstrategie
Graham Weale hegt auch gegenüber die EU-Wasserstoffstrategie Zweifel, da offen sei, ob überhaupt ausreichend sauberer Strom für die Erzeugung von grünem Wasserstoff zur Verfügung stehen wird.
Energieeffizienzmaßnahmen reichen nicht aus
Auch Energieeffizienzmaßnahmen sieht er kritisch: „Sie reduzieren zwar die Nachfrage, gleichen aber nicht die durch das Wirtschaftswachstum getriebenen Bedarfe aus.“ Eine gewisse Deindustrialisierung in Europa bringe zwar einen geringeren Energiebedarf vor Ort mit sich, verlagere diesen und die entsprechenden Emissionen aber nur an Handelspartner in anderen Regionen.
Empfehlungen für die EU-Ratspräsidentschaft
„Der Weg zur Erreichung der Ziele für 2030 sollte vorwiegend über erheblich stärkere Anreize erreicht werden“, fasst Weale die Grundidee seiner Empfehlungen zusammen. Im Einzelnen stellt er drei Anliegen für die gerade begonnene deutsche Ratspräsidentschaft in den Vordergrund:
- Oberste Priorität sollte die Erhöhung der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen besitzen. Es müssen höhere Jahresziele festgelegt und die Anreize für ihre Realisierung verstärkt werden, indem die technische Standardisierung maximiert, der Planungsprozess beschleunigt und die Marktrisiken minimiert werden.
- Es muss sichergestellt sein, dass die Elektrifizierung mit sauberem Strom und nicht mit Strom aus fossilen Brennstoffen erfolgt. Das muss durch das Emissionshandelssystem gelingen, was beim Bedarf weiter angepasst werden muss.
- Die Energieeffizienzmaßnahmen müssen verdoppelt werden, um die notwendige Entkopplung des Energiebedarfs vom Wirtschaftswachstum zu erreichen.