ERC-Grant Chemie in Mahlbechern ohne Lösungsmittel
Lösungsmittel machen einen großen Anteil des Mülls aus, der in der chemischen Industrie entsteht. Lars Borchardt kann darauf komplett verzichten.
Normalerweise werden chemische Reaktionen in Lösungsmitteln durchgeführt, die dann vom Wunschprodukt wieder abgetrennt werden müssen und dabei jede Menge Müll erzeugen. Prof. Dr. Lars Borchardt, Leiter der Arbeitsgruppe Mechanochemie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) will weg vom Lösungsmittel: Er setzt allein auf mechanische Energie. Dafür nutzt er Kugelmühlen, in denen Mahlkugeln wie Murmeln zusammenstoßen und so chemische Reaktionen initiieren. Das vermeidet Abfall und birgt das Potenzial für bisher unbekannte Reaktionen und Produkte. Bei seinem Vorhaben wird Lars Borchardt mit einem Starting Grant des European Research Council (ERC) gefördert.
Chemie umweltfreundlicher machen
Üblicherweise finden chemische Reaktionen in Lösungsmitteln statt. Häufig sind diese Lösungsmittel umweltschädlich oder sogar giftig. Ihre Abtrennung ist oft zeit-, kosten- und ressourcenaufwändig, und es bleibt jede Menge Müll zurück. „Man sagt, dass für Basischemikalien bis zu fünfmal, für Feinchemikalien bis zu 50-mal und für pharmazeutische Chemikalien bis zu 150-mal mehr Müll produziert wird als das eigentliche gewünschte Produkt“, illustriert Lars Borchardt.
Mit den Mitteln seines ERC Grants entwickelt er Synthesekonzepte, die komplett auf Lösungsmittel verzichten. „Dazu verwenden wir die Ausgangsstoffe in Pulverform, füllen sie zusammen mit Mahlkugeln in einen Becher und mahlen das Ganze für einige Minuten“, erläutert er. Die Kugeln bewegen sich durch die Drehung des Mahlbehälters frei im Inneren und stoßen unzählige Male aneinander. Die Stoßenergie beim Zusammenprall zweier Kugeln kann genutzt werden, um Stoffe miteinander in Reaktion zu bringen.
Neuer Zweig der Katalyse
„Die Chemie dahinter ist bisher noch wenig verstanden“, so Borchardt. „Wir gehen aber davon aus, dass sie anders ist als das, was wir unter klassischer Chemie verstehen.“ Hinweise darauf sind, dass bei diesem Vorgehen Reaktionen funktionieren, die normalerweise nicht ablaufen, dass Reaktionen viel schneller als üblich ablaufen oder unerwartete Produkte entstehen. „Der Clou am Projekt ist, dass wir Katalyse in der Mühle machen“, verdeutlicht der Chemiker. Während man normalerweise für die Katalyse aufwendig hergestellte Stoffe nutzt, belegt das Team, dass man die Mahlkugeln selbst als Katalysatoren verwenden kann. „Das vereinfacht die ganze Chemie grundlegend und ist wahrscheinlich ein völlig neuer Zweig der Katalyse.“