Biopsychologie Wie Forscher dem Vogelgehirn bei der Arbeit zusehen
Zum ersten Mal hat ein Forschungsteam das Gehirn von Tauben mittels Kernspintomografie untersucht, während die Vögel aktiv eine Aufgabe bearbeiteten.
Wie fällen Vögel Entscheidungen und welche Gehirnbereiche sind besonders aktiv, wenn sie Aufgaben lösen? Diesen Fragen gehen Forscherinnen und Forscher vom Lehrstuhl für Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) nach. Bislang konnten mithilfe der funktionellen Kernspintomografie (fMRT) nur narkotisierte und damit inaktive Vögel untersucht werden, sodass eine Untersuchung von Gehirnprozessen, die während der Lösung von Aufgaben ablaufen, nicht möglich war. Nun haben die kognitiven Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Arbeitseinheit Biopsychologie einen Versuchsaufbau konstruiert, mit dem sie erstmals fMRT-Untersuchungen an wachen Tauben durchführen und somit auch kognitive Prozesse erforschen können. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie online in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ am 18. September 2020.
Schnabel auf oder zu
Im neuen Versuchsaufbau können den Tieren Aufgaben präsentiert werden, die sie aktiv bearbeiten. Währenddessen werden kontinuierlich fMRT-Aufnahmen erstellt, sodass die Aktivität der Gehirnareale, die während der Aufgabenbearbeitung aktiv sind, aufgezeichnet werden. Im Gegensatz zu fMRT-Untersuchungen bei Menschen, bei denen die Probanden über das Drücken von Knöpfen Aufgaben bearbeiten können, beantworten die Tauben die ihnen gestellten Aufgaben über das Öffnen und Schließen ihres Schnabels, welches über einen Sensor unterhalb des Schnabels registriert wird.
Die Qualität der so gewonnenen fMRT-Aufnahmen überprüften die Forscherinnen und Forscher in einer Teststudie. Dabei mussten die Tauben lernen, zwischen zwei Farben zu unterscheiden. Die Tiere lernten, auf das Erscheinen der richtigen Farbe mit einem Öffnen des Schnabels zu reagieren und erhielten für richtige Antworten eine Belohnung. „Diese Untersuchung war nur ein Testlauf, der zeigen sollte, ob der Scan bei wachen Vögeln so klappt, wie wir uns das vorgestellt haben“, erklärt Mehdi Behroozi, Erstautor der Studie.
Weg zur komplexeren Studien steht offen
„Die fMRT-Daten der Teststudie zeigten, dass selbst bei dieser simplen Unterscheidungsaufgabe ein ganzes Netzwerk von Arealen im Gehirn der Taube aktiv ist, welches in Gänze so noch nicht dargestellt werden konnte“, sagt Prof. Dr. Onur Güntürkün, Professor für Biopsychologie an der RUB über die Ergebnisse. „Nun steht uns der Weg für Untersuchungen mit komplexeren kognitiven Aufgaben offen. Gerade in einer Zeit, in der wir mit Staunen mehr und mehr herausbekommen, wie intelligent Vögel sind, wird dieser Durchbruch helfen, die Hirngrundlagen dieser Leistungen zu identifizieren.“