Astronomie Die Magnetfelder der Jellyfish-Galaxie JO206
Ihr quallenartiges Aussehen gibt Jellyfish-Galaxien ihren Namen. Vieles über die Vorgänge in ihrem Gasschweif ist noch ungeklärt. Ein deutsch-italienisches Team hat neue Einblicke gewonnen.
Ein internationales Team von Astronominnen und Astronomen hat neue Einblicke in die physikalischen Bedingungen gewonnen, die in dem Gasschweif sogenannter Jellyfish-Galaxien vorherrschen. Sie interessieren sich vor allem dafür, welche Parameter dazu führen, dass sich in dem Schweif außerhalb der Galaxienscheibe neue Sterne bilden können. Unter anderem analysierten sie die Stärke und Ausrichtung der Magnetfelder in der Galaxie JO206.
Ancla Müller und Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar von der Ruhr-Universität Bochum beschreiben die Ergebnisse gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Pfrommer und Dr. Martin Sparre vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam sowie Kolleginnen und Kollegen vom INAF – Italian national institute of Astrophysics in Padua, Selargius und Bologna in der Zeitschrift Nature Astronomy vom 26. Oktober 2020.
Starke Magnetfelder
Als Jellyfish-Galaxien werden Galaxien bezeichnet, die in das Zentrum eines Galaxienhaufens stürzen, sodass durch die Bewegung das interstellare Gas in die entgegengesetzte Richtung gedrückt wird. Dadurch bildet sich ein typischer Schweif, dem diese Galaxien das quallenartige Aussehen und daher ihren Namen zu verdanken haben. Ein Team um Bianca Poggianti, eine der Autorinnen der aktuellen Arbeit vom INAF, hatte in früheren Studien nachgewiesen, dass sich in dem Gasschweif von Jellyfish-Galaxien Sterne bilden können. Es ist bekannt, dass Magnetfelder in Galaxien zur Sternentstehung beitragen können. Ob das jedoch auch in den Gasschweifen von Jellyfish-Galaxien der Fall ist, war bislang nicht klar. Aufgrund ihrer geringen Helligkeit sind sie schwer zu untersuchen.
Einen ersten Schritt zur Klärung dieser Frage hat das Team um Ancla Müller nun gemacht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die Magnetfeldstruktur der Galaxie JO206. Sie zeigen, dass nicht nur die Galaxienscheibe ein starkes Magnetfeld besitzt, sondern auch der Gasschweif. „Aus dem ungewöhnlich hohen Anteil an polarisierter Strahlung können wir schließen, dass das Feld sehr genau entlang des Schweifs ausgerichtet ist“, erklärt Ancla Müller.
Computersimulationen liefern mögliche Erklärung
Mithilfe von Computersimulationen konstruierte die Gruppe ein Szenario, das die ungewöhnlichen Parameter erklären kann: „Während die Jellyfish-Galaxie durch den Galaxienhaufen fliegt, legt sich dessen Magnetfeld wie ein Mantel um die Galaxie und wird durch die große Galaxiengeschwindigkeit und Kühleffekte weiterhin verstärkt und geglättet”, erklärt Christoph Pfrommer. Dieser Prozess könnte das Magnetfeld von JO206 verstärken und auch den hohen Anteil an polarisierter Strahlung erzeugen.
Aus der Simulation entwickelten die Wissenschaftler folgende Theorie: JO206 stürzt mit hoher Geschwindigkeit ins Zentrum des Galaxienhaufens, sodass die Magnetfelder wechselwirken und heiße Winde aus dem Medium zwischen den Galaxien zu Ansammlungen von Plasma führen. Teile des Plasmas kondensieren an den äußeren Schichten des Gasschweifs und mischen sich dort mit der restlichen Materie. „So wäre genügend Material für die Sternentstehung vorhanden“, resümiert Ancla Müller. „Nun wird es spannend sein zu sehen, ob sich dieses Bild durch weitere Messungen an anderen Objekten bestätigen lässt.“