Jura Das dritte Geschlecht im Arbeitsrecht
Dass es Geschlechtskategorien neben Mann und Frau gibt, ist mittlerweile anerkannt. Aber noch tragen dem nicht alle Gesetze Rechnung.
Seit 2018 erkennt das deutsche Recht neben Mann und Frau eine dritte Geschlechtsoption an. Neben dem Personenstandsrecht wurden jedoch kaum gesetzliche Vorschriften angepasst. Inwieweit das Arbeitsrecht und das öffentliche Dienstrecht des Bundes in ihrer aktuellen Form der dritten Geschlechtsoption Rechnung tragen, haben Prof. Dr. Anatol Dutta von der Ludwig-Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Matteo Fornasier von der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes untersucht. Ihr Gutachten wurde am 12. November 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Rechtsgrundlage zum Verbot von Diskriminierungen ausreichend
Die existierenden Vorschriften, die Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts verbieten, halten die Autoren für ausreichend. „Selbst wenn der Gesetzgeber bei Erlass dieser Vorschriften von einem binären Geschlechtsverständnis ausging, umfasst der Begriff ‚Geschlecht‘ auch die dritte Geschlechtsoption“, so Matteo Fornasier. Stellenausschreibungen richten sich mittlerweile weitestgehend auch an intergeschlechtliche Personen, indem sie den Zusatz „m/w/d“ enthalten.
Auch die Regelungen des Mutterschutzes, die überwiegend davon ausgehen, dass nur Frauen Mütter werden können, können bereits jetzt ohne Eingreifen des Gesetzgebers auf intergeschlechtliche Menschen angewendet werden, die schwanger sind, Kinder gebären und stillen.
Nachbesserungen im Gleichstellungsrecht erforderlich
Komplexer ist die Lage beim Gleichstellungsrecht. Um eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu erreichen, soll das strukturell benachteiligte Geschlecht – meist Frauen – begünstigt werden, etwa durch Quoten beim Besetzen von Gremien oder durch die Vorgabe, das benachteiligte Geschlecht bevorzugt einzustellen oder zu befördern. „Nach unserer Auffassung ist das Gleichstellungsrecht nach geltendem Verfassungsrecht nur auf das Verhältnis zwischen Männern und Frauen beschränkt“, erklärt Matteo Fornasier. Um also intergeschlechtliche Menschen durch Gleichstellungsregeln zu begünstigen, wäre eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich.
Aber: „In der binären Geschlechterordnung ging die Begünstigung des strukturell benachteiligten Geschlechts immer auf Kosten des strukturell privilegierten Geschlechts“, sagt Fornasier. „Sind mehr als zwei Geschlechter im Spiel, kann die Bevorzugung einer strukturell benachteiligten intergeschlechtlichen Person, etwa bei der Einstellung, auch zulasten einer weiblichen Bewerberin gehen, die ebenfalls einem strukturell benachteiligten Geschlecht angehört.“ Hier sei die Politik gefragt, durch eine Änderung der Verfassung die prinzipielle Richtung aufzuzeigen, wie diese Konflikte aufzulösen sind.
Besser keine Differenzierung
Weiteren Anpassungsbedarf sehen die Juristen bei Vorschriften, die nach dem Geschlecht differenzieren, aber bislang nur zwischen Frauen und Männern unterscheiden. Dazu zählen Bekleidungsvorschriften oder die Vorschriften, die dem Arbeitgeber auftragen, für männliche und weibliche Beschäftigte getrennte Sanitärräume einzurichten.
„Hier muss der Gesetzgeber klarstellen, welche Regeln für intergeschlechtliche Menschen gelten sollen“, so Matteo Fornasier. Aus Sicht der Forscher wäre es am besten, auf die Differenzierung nach dem Geschlecht insgesamt zu verzichten. Dienstkleidung sollte Unisex sein und Sanitärräume sollten geschlechtsneutral sein, dabei allerdings zum Schutz der persönlichen Intimsphäre die Möglichkeit bieten, von den verschiedenen Geschlechtern separat genutzt zu werden.