Bessere Chancen für alle in der Schule sind Ziel des neuen Projekts.
© RUB, Kramer

Coronakrise Schulen schließen oder öffnen?

Anhand von Schulbefragungen aus dem Jahr 2020 haben Forschende herausgearbeitet, welche Schließungen wegen Corona zwischen erstem und zweitem Lockdown stattgefunden haben.

Es ist ein Balanceakt zwischen Gesundheitsschutz und dem Recht auf Bildungsteilhabe: Sollen Schulen in der Pandemie öffnen oder schließen? Forschende aus Bochum und Osnabrück haben anhand von wöchentlichen Schulbefragungen analysiert, wie sich die Einschränkungen des Präsenzunterrichts im Jahr 2020 ausgewirkt haben: „Überproportional häufig mussten solche Schüler*innen in den Distanzunterricht, deren soziales, wirtschaftliches und wohnliches Umfeld genau dafür keine günstigen Voraussetzungen geboten hat“, fassen Prof. Dr. Gabriele Bellenberg und Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler, beide Ruhr-Universität Bochum (RUB), zusammen. Die Ergebnisse sind im Waxmann-Verlag veröffentlicht und stehen online zur Verfügung.

Erfahrungen von 2020 sind noch nicht aufgearbeitet

Kaum eine Frage wird derzeit so leidenschaftlich diskutiert wie die, ob Schulen in der Pandemiesituation geöffnet bleiben müssen oder geschlossen werden sollen. Bildungsgerechtigkeit ist dabei das Hauptargument der Befürworter von Präsenzunterricht, Gesundheitsschutz das derjenigen von Unterricht auf Distanz.
Die Erfahrungen aus dem Jahr 2020 sind noch nicht aufgearbeitet: Weder ist bisher gesichert, dass geöffnete Schulen das Infektionsgeschehen verstärken, noch belegt, dass Präsenzunterricht steigenden Bildungsungleichheiten entgegenwirkt. In Nordrhein-Westfalen wurde der Präsenzunterricht an Schulen unter den Rahmenbedingungen des sogenannten angepassten Regelbetriebs aufrechterhalten.

Signifikanter Zusammenhang zwischen sozialen Faktoren und Schließungen

Um die Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Schul(teil-)schließungen – also auch die Schließung einzelner Klassen und Kurse – und steigender Bildungsungleichheit zu beantworten, haben Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler und Prof. Dr. Gabriele Bellenberg zusammen mit Prof. Dr. Christian Reintjes (Universität Osnabrück) und Dr. Markus Küpker (RuhrFutur, eine gemeinsame Bildungsinitiative der Stiftung Mercator, des Landes Nordrhein-Westfalen sowie mehrerer Ruhrgebietsstädte und Hochschulen) die Daten aus der vom Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen durchgeführten wöchentlichen Befragung aller Schulleitungen zum Infektionsgeschehen an den Schulen (Woche 33 bis 50 der COSMO-Befragung) ausgewertet und analysiert.

Besonders bedeutend: Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen sozialen Faktoren im Umfeld von Schule und den beobachteten (Teil-)Schließungen im Kontext des eingeschränkten Regelbetriebs. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass auch andere Faktoren wie das lokale Infektionsgeschehen, die Schulgröße und die Schulform eine Rolle spielten. Die Befunde der statistischen Auswertungen sind in eine Betrachtung der Rahmenbedingungen eingebettet, in denen Schule vor Ort Unterricht organisieren und gestalten musste. Es zeigt sich kein harmonisches, sondern ein von standortspezifischen Herausforderungen, Planungsunsicherheiten und einer verengt geführten gesellschaftlichen Debatte um die Rolle von Schule geprägtes Bild.

Die Schwächsten sind besonders betroffen

„Wir sehen, dass soziale Faktoren die Wirkung von Corona auf das Bildungsgeschehen beeinflussen. Die Schwächsten zeigen eine größere Vulnerabilität. Daher muss Ungleiches auch ungleich behandelt werden. Sonst wird Bildungsungleichheit noch größer werden. Das Land NRW hat über den schulscharfen Sozialindex bereits einen Ansatzpunkt dafür“, sagt der Bildungsforscher Christian Reintjes, Mitherausgeber des Sammelbandes. Ungleiches ungleich behandeln meint vor allem, dass Schulen, die schwierigere Ausgangslagen haben, mehr Ressourcen zur Umsetzung von Förderunterricht oder für kleinere Klassen erhalten sollten.

Coronaforschung an der RUB

Seit Beginn der Coronapandemie wird an der RUB zu Covid-19 geforscht –  über alle Fächergrenzen hinweg. Beteiligt sind deshalb nicht nur Medizin und Lebenswissenschaften, sondern beispielsweise auch Psychologie, Soziologie, Rechts-, Erziehungs- und Geschichtswissenschaft. Einen Überblick der Forschungsprojekte findet sich hier.

Originalveröffentlichung

Jörg-Peter Schräpler, Gabriele Bellenberg, Markus Küpker, Christian Reintjes: Analyse und Reflexion Corona-bedingter (Teil-)Schließungen von Schulen anhand der COSMO-Befragung in NRW, in: Das Bildungssystem in Zeiten der Krise. Empirische Befunde. Konsequenzen und Potenziale für das Lehren und Lernen, herausgegeben von Christian Reintjes, Raphaela Porsch, Grit im Brahm, Waxmann Verlag, Münster 2021, 314 Seiten, ISBN 9783830943624

Pressekontakt

Prof. Dr. Gabriele Bellenberg
Arbeitsgruppe Schulforschung
Institut für Erziehungswissenschaft
Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 24752
E-Mail: gabriele.bellenberg@rub.de

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler
Lehrstuhl Sozialwissenschaftliche Datenanalyse
Fakultät für Sozialwissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 29835
E-Mail: joerg-peter.schraepler@rub.de

Veröffentlicht

Dienstag
13. April 2021
09:17 Uhr

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