Sozialwissenschaft Wie Menschen zu Preppern werden
Ein vollgetanktes Fluchtauto, eine prall gefüllte Vorratskammer oder regelmäßige Schießübungen – Preppen kann viele Formen annehmen. Genauso vielfältig können auch die Ursachen für ein solches Verhalten sein.
Warum Menschen zu Preppern werden und wie sie ihr Verhalten begründen, erforscht Sozialwissenschaftler Mischa Luy in seiner Doktorarbeit an der Ruhr-Universität Bochum. Er interviewte 13 Männer und eine Frau zu ihren Prepper-Praktiken und leitet daraus nun Idealtypen ab. Dabei interessieren ihn vor allem die Gründe und Faktoren, warum Menschen anfangen zu preppen. Zwei Typen haben sich bereits herauskristallisiert, die Luy als „Bug in“ und „Bug out“ bezeichnet. Der erste Typ verschanzt sich zu Hause mit vielen Vorräten, um dort im Katastrophenfall ausharren zu können, der zweite bereitet sich auf eine Flucht vor. Die Ursachen und Begründungen für ein solches Verhalten können sehr vielfältig sein. Die Analyse ist noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind noch nicht publiziert. Über die Forschungsarbeit von Mischa Luy berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum. Darin findet sich auch ein Interview mit dem Forscher zu den Überschneidungen von Prepperszene, Querdenken-Bewegung und rechten Gruppierungen.
Bislang kaum Forschung zu Preppern in Deutschland
Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland zwischen 10.000 und 200.000 Prepperinnen und Prepper. Die große Spannweite ist ein Indiz dafür, wie wenig hierzulande über das Phänomen bekannt ist. Ebenso fehlt eine klare Definition, was eigentlich Preppen ist. Laut Luys Arbeitsdefinition handelt es sich um eine Praxis, bei der sich Menschen gezielt auf das Eintreten einer Natur- oder menschgemachten Katastrophe vorbereiten sowie auf einen eventuell darauffolgenden Kollaps der gesellschaftlichen Infrastruktur. Vorbereitungen können Wissensbestände, Praktiken, Techniken, Geisteshaltungen und Objekte umfassen. Alles zielt darauf ab, das eigene Überleben während oder nach der Katastrophe ohne fremde institutionelle Unterstützung abzusichern. „Wenn man sich mit den Menschen unterhält, wird es aber sehr viel komplexer“, ergänzt der Forscher.
Eigene Biografie ist entscheidend
Wenn es um die Frage geht, warum Menschen mit dem Preppen anfangen, spielt laut Mischa Luy die eigene Biografie immer eine Rolle. „Manche Menschen nennen einschneidende Erlebnisse, etwa eingeschneit sein auf der Autobahn, einen Stromausfall oder das Miterleben von Terroranschlägen während eines militärischen Auslandseinsatzes“, erklärt Luy. Manche Prepper beziehen sich auch auf Erfahrungen der Großeltern oder Eltern, also der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration, die Mangel erlebt haben. Viele geben zudem an, dass prepperaffine Tätigkeiten zunächst ein Hobby waren, zum Beispiel die Vorbereitung von Outdoor-Touren. Und manche nennen auch Situationen wie den Ukrainekonflikt oder die Wirtschaftskrise als Gründe, die offenbart haben, wie fragil eine Gesellschaft sein kann. Generell scheinen viele Prepper einen naturwissenschaftlich-technischen Hintergrund zu haben oder aus dem Militär- oder Sicherheitsbereich zu kommen.
Für viele, so eines von Mischa Luys Ergebnissen, gehe es aber nicht nur um die eigene Sicherheit, sondern auch um die Fürsorge für die Familie oder um ein Gefühl der Freiheit und Autarkie. „Es ist fast eine Zivilisationskritik“, beschreibt der Forscher. „Prepper sagen, die Menschen fühlten sich heute zu sicher, seien zu sehr abhängig von der Technik und könnten nicht mal mehr selbst ein Feuer machen oder ein Rad wechseln.“ Sie wollen selbst wieder zu Experten werden und nicht von der arbeitsteiligen Gesellschaft abhängig sein. „Bei manchen treten aber auch Züge von Misstrauen gegenüber dem Staat und Menschen bis zu Verschwörungsdenken zutage“, ergänzt Luy.
Sicherheit schaffen, aber neue Unsicherheiten erzeugen
Oft ergibt sich eine Art Teufelskreis. Menschen beginnen mit dem Preppen, um Sicherheit zu schaffen. Aber je mehr sie sich mit den Vorbereitungen beschäftigen, desto mehr fallen ihnen auch potenzielle Gefahren ein, die wieder neue Unsicherheit schaffen. Mischa Luy bezeichnet das als expansive Dynamik.
Die Interviews wertet er derzeit mit der Grounded Theory Methodology aus. Dabei bildet er Kategorien, ordnet die Aussagen diesen Kategorien zu und leitet Hypothesen ab. „Es ist ein exploratives Angehen, da es bislang kaum Forschung in diesem Bereich gibt“, beschreibt Luy. Statistisch repräsentative Daten zu erhalten ist dabei nicht das Ziel.