Schon während seiner Masterarbeit forschte Mischa Luy zum Preppen. In seiner Promotion an der RUB geht er dem Phänomen genauer auf den Grund. © Sebastian Sellhorst

Interview Wo Prepper, Querdenker und Rechte sich begegnen

Verschwörungstheorien haben gerade Hochkonjunktur – und fungieren als Bindeglied zwischen Gruppen, die man sonst nicht gemeinsam auf Demonstrationen erwarten würde.

Prepper bereiten sich auf Natur- oder menschgemachte Katastrophen vor und auf einen potenziellen Zusammenbruch der Gesellschaft. Ihre Strategien und Begründungen sind vielfältig. Sozialwissenschaftler Mischa Luy erforscht sie in seiner Promotion an der RUB. Im Interview erzählt er, wo die Ursprünge des Preppens liegen und welche Gemeinsamkeiten es zwischen den verschiedenen Gruppierungen gibt, die sich auf Corona-Demonstrationen treffen.

Herr Luy, Sie erforschen seit mehreren Jahren die Prepperszene. Wo hat diese eigentlich ihren Ursprung?
Der Begriff kommt aus dem englischsprachigen Raum und ist eng verwandt mit dem Survivalism, den man bis in die Kolonialzeit zurückverfolgen kann. Als Menschen aus Europa in die neue Welt zogen und dort mit anderen Kulturen, einer anderen Flora und Fauna konfrontiert wurden, entstand im 19. Jahrhundert eine neue literarische Gattung der Reisemanuale. Darin wurde festgehalten, wie man in unwirtlichen Gegenden überleben kann. Die Strategien wurden zurück mit in die alte Welt genommen und dort im Zweiten Weltkrieg Teil der militärischen Ausbildung. Auch im zivilen Bereich fanden diese Überlebensstrategien Anwendung, so zum Beispiel bei den Pfadfindern. Es kam zu einer Professionalisierung dieses Wissens, das bei manchen auch zu einer Art Hobby wurde, beispielsweise beim Abenteurer und Aktivisten Rüdiger Nehberg. Natürlich blieb aber ein ernster Kern.

Ist der Begriff Preppen denn eine relativ neue Bezeichnung?
Die Ursprünge des Begriffs werden im Jahr 2000 vermutet, als der befürchtete Year-2K-Millennium-Bug eine großflächige Panik ausgelöst hat. Menschen hatten Angst, dass es mit dem Jahreswechsel einen Stromausfall geben könnte, die Bankautomaten nicht mehr funktionieren oder Atomsilos in die Luft fliegen würden. Damals haben sich viele Leute mit einer Vorbereitungspraktik beschäftigt. Bei Wikipedia ist der Begriff Preppen erst 2012 aufgetaucht, als auch die ersten Facebook-Gruppen dazu entstanden. Ganz genau kann man die Ursprünge nicht rekonstruieren. Vermutlich ging es der Szene aber darum, eine Selbstbezeichnung zu finden, die weniger vorbelastet als der Survivalism war. Survivalism hatte eine zum Teil negative Konnotation, unter anderem durch Rechtsterroristen wie Timothy McVeigh, der in Oklahoma das Murrah Building in die Luft gesprengt hat – er war ein Survivalist.

Viele Bürgerinnen und Bürger haben während des ersten Corona-Lockdowns mehr Vorräte angelegt als üblicherweise. © Roberto Schirdewahn

Hat die Coronakrise der Prepperszene einen Schub verliehen, sind also mehr Menschen dadurch zu Preppern geworden?
Das würde ich schon sagen. Ich bin in ein paar Facebook-Gruppen der Prepperszene angemeldet, um dort mitzulesen. Dort sind die Zahlen der Neuanmeldungen in der Coronakrise nach oben gegangen. Auch insgesamt hat sich das Bewusstsein geschärft, wie fragil die Gesellschaft ist. Das Klopapier-Hamstern ist das beste Beispiel: Da sind Prepper-Taktiken in den Mainstream gekommen.

Die Gedankengänge, die die Prepper haben, sind bis zu einem bestimmten Punkt nachvollziehbar.

Steckt vielleicht in jedem von uns ein Stück weit ein Prepper?
Die Gedankengänge, die die Prepper haben, sind bis zu einem bestimmten Punkt nachvollziehbar, nur die Bewertung fällt bei ihnen anders aus als bei anderen. Ich kann bestimmte Szenarien durchspielen und überlegen, was bei einer Verkettung unglücklicher Umstände schlimmstenfalls passieren könnte – und so denken Prepper oft. Das Ergebnis empfinden sie dann als so beunruhigend, dass sie die Situation bearbeiten müssen, um ein Gefühl von Sicherheit für sich zu schaffen.

Gibt es Überschneidungen von der Prepperszene und Querdenken-Bewegung?
Es gibt schon Überschneidungen, zum Beispiel bei Verschwörungserzählungen. Dabei geht es oft darum, dass man sich ohnmächtig fühlt und durch Verschwörungstheorien Handlungsmacht zurückerlangen will. Eine häufige Gemeinsamkeit ist auch ein Misstrauen gegenüber Expertinnen und Experten und Politik. Bei manchen Preppern findet man auch narzisstische Eigenschaften: Das Verhalten befriedigt eine Sehnsucht nach Einzigartigkeit, man fühlt sich der Mehrheitsgesellschaft überlegen, weil die anderen keine Ahnung haben, wie schnell alles zu Bruch gehen kann. Man empfindet sich als eine Art Avantgarde. Das ist teilweise auch bei den Querdenkern so: Die anderen sind alle Schlafschafe und man selbst weiß Bescheid.

Die Gruppierungen treffen sich in ihrem Verschwörungsdenken und Antisemitismus.

Prepper und Querdenker treffen sich auf Corona-Demonstrationen, auf denen häufig ein Einhalten der demokratischen Freiheitsrechte gefordert wird. Gleichzeitig mischen sie sich dabei mit rechten Gruppen. Viele fragen sich, wie das zusammengehen kann.
Die Gruppierungen treffen sich in ihrem Verschwörungsdenken und Antisemitismus. Rechte Weltanschauungen operieren seit jeher mit verschwörungstheoretischen Argumentationsmustern – vom Nationalsozialismus bis heute. Es geht immer darum, dass hinter der Fassade mächtige Gruppen das Schicksal der Welt oder von Nationen lenken. In diesem Denken gibt es keine Zufälle, sondern Geschichte und Gesellschaft sind das Ergebnis einer bewussten Planung von bestimmten Personen. Es wird dabei nicht in Prozessen gedacht, und gesellschaftliche Verhältnisse werden personalisiert.

Rechte, manche Prepper und Verschwörungsgläubige treffen sich außerdem bei einem Hang zu apokalyptischen Deutungsmustern. Viele erwarten, dass es einen Tag X, eine letzte Schlacht um das Überleben geben wird: Gut gegen Böse – sei es der Bürgerkrieg oder der sogenannte Rassenkrieg, dass man die Regierung stürzt oder gewisse Gruppen enttarnt und dann bekämpft. Wenn das vermeintlich Böse erst beseitigt ist, beginnt der Himmel auf Erden. Rechtsterroristen zum Beispiel denken auch, dass die letzte Schlacht künstlich herbeigeführt werden muss. Sie glauben, von ihnen wahrgenommene Verfallserscheinungen in der Gesellschaft beschleunigen zu müssen, etwa durch Anschläge. So war es zum Beispiel beim NSU oder der Gruppe Nordkreuz.

Wie kann man Verschwörungstheorien entgegenwirken?
Es ist wichtig, im Kindes- und Jugendalter mit politischer Bildung anzusetzen. Wenn sich erst mal ein geschlossenes Weltbild verfestigt hat, ist es schwer, dagegen anzukommen. Man muss früh ein Verständnis von politischen, ökonomischen und sozialen Prozessen fördern. Auch gilt es, die Medienkompetenz und Ambiguitätstoleranz zu fördern, also dass man lernt, Widersprüche auszuhalten. Außerdem sollte man über die Funktionsweisen und Strategien von Verschwörungserzählungen aufklären, damit man sie eher durchschauen kann. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sollte man sehr empathisch vorgehen, wenn Verschwörungen neben der Sinnstiftungsfunktion auch Identitätsfunktion erfüllen. Bei Erwachsenen ist aber eine klare Gegenrede notwendig.

Mir wäre es lieber, bei den einzelnen Personen anzusetzen als bei den Medien.

Häufig wird auch den Sozialen Medien eine Rolle bei der Ausbreitung von Verschwörungstheorien zugeschrieben.
Mir wäre es lieber, bei den einzelnen Personen anzusetzen als bei den Medien. Natürlich haben die Sozialen Medien das Potenzial, Verschwörungstheorien zu befördern, weil sie die Verbreitung erleichtern, aber da werden Wirkung und Ursache vertauscht. Die Ursache für das Verschwörungsdenken sind oft psychische, soziale und historische Momente wie Krisen, die entscheidender sind als die Medien. Daher muss man bei den Personen ansetzen und einen mündigen Umgang mit den Medien fördern.

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Veröffentlicht

Freitag
16. April 2021
09:09 Uhr

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2021 in Rubin 1/2021 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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