Wie viele Vorräte sind normal? Manche Prepperinnen und Prepper haben die Schränke bis zum Anschlag gefüllt, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. © Roberto Schirdewahn

Prepper Vorbereitet auf den Zusammenbruch der Gesellschaft

Ein vollgetanktes Fluchtauto, eine prall gefüllte Vorratskammer oder regelmäßige Schießübungen – Preppen kann viele Formen annehmen. Genauso vielfältig können auch die Ursachen für ein solches Verhalten sein.

Mehl, Nudeln, Seife, Toilettenpapier – nach diesen und einigen anderen Artikeln konnte man im ersten Corona-Lockdown in vielen Supermärkten oft vergeblich suchen. Leergekauft waren die Regale, weil die Bürgerinnen und Bürger auf eventuelle Engpässe vorbereitet sein wollten. Bei den meisten Menschen ist dieses Verhalten mittlerweile wieder verflogen. Doch für einen kurzen Moment waren sogenannte Prepper-Taktiken in den Mainstream eingesickert. Als Prepper bezeichnet man Menschen, die stets auf das Eintreten einer Katastrophe und den darauf folgenden eventuellen Kollaps der gesellschaftlichen Infrastruktur vorbereitet sind. „Diese Vorbereitungen zielen auf das eigene Überleben ohne fremde institutionelle Unterstützung“, sagt Mischa Luy, der an der Ruhr-Universität Bochum in der Fakultät für Sozialwissenschaft seine Doktorarbeit zu dem Thema schreibt. „Die Vorbereitungen können Wissensbestände umfassen, Praktiken, Techniken, Geisteshaltungen und Objekte. Wenn man sich mit den Menschen unterhält, sieht man, dass das Preppen ein sehr komplexes Phänomen ist.“

Wenig Wissen über Prepper in Deutschland

Während in den USA bereits viel zum Preppen geforscht wurde, gibt es in Deutschland bislang kaum eine wissenschaftliche Auseinandersetzung damit. Schätzungen zufolge leben in der Bundesrepublik zwischen 10.000 und 200.000 Prepperinnen und Prepper, wobei die Mehrheit männlich ist. Die große Spannweite bei den Zahlen ist ein Indiz dafür, wie wenig über das Phänomen bekannt ist. Warum werden Menschen zu Preppern und wie begründen sie ihr Verhalten? Mit diesen Fragen befasste Mischa Luy sich schon 2017 in seiner Masterarbeit, nun setzt er das Projekt in seiner Promotion fort.

In den Gesprächen waren die Menschen sehr offen. Ein Prepper nahm mich sogar mit auf seinen Schießstand.


Mischa Luy

Er führte seither Gespräche mit 13 Männern und einer Frau, die er in Internetforen und Facebook-Gruppen für seine Forschungsarbeit gewinnen konnte. „Es hat etwas gedauert, bis ich Freiwillige in der Prepperszene für meine Arbeit gefunden habe, weil dort ein großes Misstrauen gegenüber der Forschung herrscht“, erzählt Mischa Luy. „Aber in den Gesprächen waren die Menschen dann sehr offen, teilweise haben sie mich auch durch ihre Häuser geführt und ihre Vorbereitungen gezeigt. Ein Prepper nahm mich sogar mit auf seinen Schießstand, das zeugt von Vertrauen, denke ich.“

Interviews mit Preppern

In den biografisch narrativen Interviews ließ Mischa Luy die Menschen erzählen, wie sie zum Preppen gekommen sind, wie sie ihr Verhalten plausibilisieren, wie sie die Gesellschaft wahrnehmen und welche Vorstellungen von der Zukunft sie haben. Nun ist er dabei, die 30 Minuten bis zwei Stunden langen Gespräche mit der Grounded Theory Methodology auszuwerten. Dabei bildet er Kategorien, ordnet die Aussagen diesen Kategorien zu und leitet Hypothesen ab. „Es ist ein exploratives Angehen, da es bislang kaum Forschung in diesem Bereich gibt“, beschreibt Luy. „Ich werde keine statistisch repräsentativen Daten erhalten. Mein Ziel ist es, Idealtypen und Begründungsmuster herauszuarbeiten.“

Schon während seiner Masterarbeit forschte Mischa Luy zum Preppen. In seiner Promotion an der RUB geht er dem Phänomen genauer auf den Grund. © Sebastian Sellhorst
Mischa Luy interessiert sich nicht nur für das Preppen, sondern auch für Überschneidungen von Prepperszene, Querdenken-Bewegung und rechten Gruppierungen.

Zwei Typen haben sich bereits herauskristallisiert: Mischa Luy bezeichnet sie als „Bug In“ und „Bug Out“. Beim Bug In bunkern sich die Leute zu Hause ein, legen viele Vorräte an und nutzen häufig ihr technisch stark ausgeprägtes Wissen, um beispielsweise Stromgeneratoren oder Wasserfilteranlagen einzurichten. Die Strategie zielt darauf ab, zu Hause ohne Hilfe von außen überleben zu können. Beim Bug Out bereiten sich die Prepper stattdessen auf eine Flucht vor. Sie haben vollgepackte Koffer und ein getanktes Fluchtfahrzeug parat stehen, um im Wald oder an einem sicheren Zufluchtsort ausharren zu können, bis die Lage besser wird.

Klar ist: Den einen Prepper gibt es nicht. „Es gibt Leute, die das Preppen nicht ihr Leben beherrschen lassen wollen und die nur für zwei Wochen vorsorgen. Für andere wird es eine Art Lebensführung“, so der Sozialwissenschaftler. „Das Preppen bestimmt ihre Entscheidungen: Sie machen zum Beispiel regelmäßige Notfallübungen, gehen nicht mehr auf einen Weihnachtsmarkt, weil sie Angst vor Terroranschlägen haben, oder verlassen das Haus nur mit einem Everyday Carry – einem Rucksack, in dem die wichtigsten Gegenstände immer bereit sind.“

Der Bug-out-Preppertyp bereitet sich darauf vor, im Ernstfall an einen sicheren Ort fliehen zu können. © Roberto Schirdewahn

Oft ergibt sich eine Art Teufelskreis. Menschen beginnen mit dem Preppen, um Sicherheit zu schaffen. Aber je mehr sie sich mit den Vorbereitungen beschäftigen, desto mehr fallen ihnen auch potenzielle Gefahren ein, die wieder neue Unsicherheit schaffen. Mischa Luy bezeichnet das als expansive Dynamik.

Verschiedene Begründungen fürs Preppen

Die Gründe, warum Menschen mit dem Preppen anfangen, können genauso vielfältig sein wie die Vorbereitungen. Die eigene Biografie spielt dabei immer eine Rolle. „Manche Menschen nennen einschneidende Erlebnisse, etwa eingeschneit sein auf der Autobahn, einen Stromausfall oder das Miterleben von Terroranschlägen während eines militärischen Auslandseinsatzes“, erklärt Luy. Manche Prepper beziehen sich auch auf Erfahrungen der Großeltern oder Eltern, also der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration, die Erfahrungen von Mangel gemacht haben. Viele geben zudem an, dass prepperaffine Tätigkeiten zunächst ein Hobby waren, zum Beispiel die Vorbereitung von Outdoor-Touren. Und manche nennen auch Situationen wie den Ukrainekonflikt oder die Wirtschaftskrise als Gründe, die offenbart haben, wie fragil eine Gesellschaft sein kann. Generell scheinen viele Prepper einen naturwissenschaftlich-technischen Hintergrund zu haben oder aus dem Militär- oder Sicherheitsbereich zu kommen.

Es ist fast eine Zivilisationskritik.


Mischa Luy

Für viele, so eines von Mischa Luys Ergebnissen, gehe es aber nicht nur um die eigene Sicherheit, sondern auch um die Fürsorge für die Familie oder um ein Gefühl der Freiheit und Autarkie. „Es ist fast eine Zivilisationskritik“, beschreibt der Forscher. „Prepper sagen, die Menschen fühlten sich heute zu sicher, seien zu sehr abhängig von der Technik und könnten nicht mal mehr selbst ein Feuer machen oder ein Rad wechseln.“ Sie wollen selbst wieder zu Experten werden und nicht von der arbeitsteiligen Gesellschaft abhängig sein. „Bei manchen treten aber auch Züge von Misstrauen gegenüber dem Staat zutage“, ergänzt Luy. Er selbst preppt übrigens nicht. „Beim ersten Lockdown habe ich etwas mehr eingekauft, darüber hinaus aber nicht“, sagt er. „Dazu bin ich zu fatalistisch und habe zu großes Vertrauen in die Infrastruktur und Kapazitäten unseres Staates.“

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Veröffentlicht

Freitag
16. April 2021
09:09 Uhr

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2021 in Rubin 1/2021 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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