Buch Asymmetrien in der Hirnorganisation bei psychischen Erkrankungen
Rechts-Links-Unterschiede sind ein generelles Organisationsprinzip des Gehirns. Bei vielen Krankheiten kommt es jedoch zu Verschiebungen.
Rechte und linke Gehirnhälfte unterscheiden sich sowohl strukturell als auch in ihrer funktionellen Organisation. Diese hemisphärische Asymmetrie ist bei Menschen mit psychischen Krankheiten und Hirnentwicklungsstörungen häufig anders ausgeprägt als bei Gesunden. Mit diesen Rechts-Links-Unterschieden und ihrer klinischen Relevanz befasst sich ein neues Lehrbuch von Dr. Annakarina Mundorf, die 2020 in der experimentellen und molekularen Psychiatrie des LWL-Universitätsklinikums Bochum promoviert hat, und Prof. Dr. Sebastian Ocklenburg von der Arbeitseinheit Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Es ist unter dem Titel „The Clinical Neuroscience of Lateralization“ am 12. Mai 2021 im Routledge-Verlag erschienen. Das Buch richtet sich an Akademikerinnen und Akademiker, Forschende und Studierende in der klinischen Neurowissenschaft, Entwicklungsneurowissenschaft, Biopsychologie sowie Neuropsychologie.
Viele kognitive Funktionen sind asymmetrisch organisiert
Viele kognitive Funktionen sind im Gehirn asymmetrisch organisiert, etwa Sprache, Gedächtnis oder Emotion. „Solche funktionellen und strukturellen Unterschiede sind ein generelles Organisationsprinzip des menschlichen Nervensystems“, erklärt Annakarina Mundorf. Bei psychischen Krankheiten wie Schizophrenie oder Hirnentwicklungsstörungen wie Dyslexie sind die Links-Rechts-Unterschiede im Gehirn jedoch verändert. Ein Beispiel: Während in der allgemeinen Bevölkerung 10,6 Prozent der Menschen Linkshänder sind, ist der Anteil bei schizophrenen Patientinnen und Patienten etwa doppelt so hoch. Das neue Buch beleuchtet solche Verschiebungen in den Rechts-Links-Asymmetrien und geht möglichen Gründen nach.
Multidisziplinäre Perspektive
Die Autorin und der Autor bringen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und aus klinischen Studien zusammen – aus der Psychologie, Neurowissenschaft und Genetik sowie aus vergleichenden Arbeiten. Das Buch enthält auch eine kurze Einleitung zu Rechts-Links-Unterschieden im Allgemeinen und zu den Methoden, mit denen Asymmetrien untersucht werden können. Neben psychiatrischen Erkrankungen und Hirnentwicklungsstörungen beleuchten Mundorf und Ocklenburg auch neurologische Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit und Multiple Sklerose.
Das Buch gibt somit erstmals einen umfassenden Überblick über die klinische Relevanz von hemisphärischen Asymmetrien. Viele Fragen in diesem Feld sind noch unbeantwortet. „Ob Veränderungen in der Hirnasymmetrie Ursache oder Folge der Erkrankungen sind, ist bislang eine offene Frage“, schildert Sebastian Ocklenburg. „Ebenso ist unklar, warum sich die Rechts-Links-Asymmetrien bei vielen Erkrankungen auf die gleiche Weise verändern, obwohl die Krankheitsbilder so unterschiedlich sind.“