Bauforschung Bis die Verbundstütze bricht
Neue Verbundkonstruktionen und Hochleistungswerkstoffe versprechen Vorteile für den Bau. Ihre Sicherheit müssen sie unter extremen Bedingungen in der Versuchshalle beweisen.
Schlankere Konstruktionen, mehr Nutzfläche und besserer Brandschutz: Neue, hochfeste Verbundkonstruktionen mit Hochleistungswerkstoffen versprechen Verbesserungen für den Bau. Noch sind sie nicht im Einsatz, weil es für sie keine Erfahrung in der Praxis und keine Normung gibt. Ihre Eigenschaften müssen zunächst gründlich geprüft werden, vor allem ihre Sicherheit. Damit beschäftigen sich Ingenieure wie Przemyslaw Schurgacz und Dennis Witteck. An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) belasten sie die innovativen Stützen bis zum Bruch. Darüber berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der RUB.
Mit Spezialbeton gefülltes Rohr in der Stütze
In der Doktorarbeit von Przemyslaw Schurgacz stehen Stützen im Mittelpunkt, die zum Beispiel beim Bau von Hochhäusern zum Einsatz kommen. Anders als übliche Verbundstützen, die beispielsweise aus einem mit herkömmlichem Beton gefüllten Stahlrohr bestehen, bestehen sie aus einem betongefüllten Hohlprofil aus höchstfestem Stahl, in dessen Innern ein massiver Stahlkern liegt, beziehungsweise in deren Innern ein weiteres Stahlrohr liegt, das wiederum mit Hochleistungsbeton gefüllt ist.
Um herauszufinden, was die Stützen unter realistischen Bedingungen aushalten, fertigte das Team des Lehrstuhls für Stahl-, Leicht- und Verbundbau von Prof. Dr. Markus Knobloch die ein- und zweigeschossigen Verbundstützen in der Gemeinschaftseinrichtung Konstruktionsteilprüfung KIBKON der Fakultät Bau- und Umweltingenieurwissenschaften und betonierte sie in einem Fertigteilwerk. Die Stützen wurden dann in der Halle der Konstruktionsteilprüfung in die große Prüfmaschine eingebaut und geprüft. Dabei kam erstmals ein neues optisches Messystem zum Einsatz.
Im Versuch ließen die Forscher eine Druckkraft von bis zu 2.000 Tonnen auf die Stütze wirken. So war es weltweit zum ersten Mal möglich, solche Verbundstützen unter realistischen Bedingungen, wie sie in Hochhäusern und anderen Megastrukturen vorherrschen, zu testen. Die Stützen hielten der Belastung zunächst lange stand, bevor sie sich zur Seite durchbogen und so einer weiteren Lastaufnahme entzogen.
„Der Einsatz der neuen Werkstoffe ist nur bis zu einer bestimmten Länge der Stütze zielführend und wirtschaftlich“, so Przemyslaw Schurgacz. „Allerdings ist für derartige Verbundstützen gerade die kürzere eingeschossige Ausführung das größte Anwendungsgebiet.“ Mit Blick auf die in europäischen und weltweiten Großstädten geplanten Hochhäuser ergebe sich für die nächsten Jahre ein großes Marktpotenzial für die innovativen Verbundstützen. Allein für London und Frankfurt sind in den kommenden Jahren schätzungsweise 250 beziehungsweise 200 Hochhäuser geplant.
Erdbebengefahren mindern
Dennis Witteck konzentriert sich in seiner Arbeit auf eine außergewöhnliche Gefahr: Ihn interessiert, wie sich diese Verbundkonstruktionen aus Hochleistungswerkstoffen bei Erdbeben bewähren. Um Konzepte und Strategien dazu zu prüfen, entwickelte das RUB-Team einen eigenen Versuchsaufbau in der großen Prüfmaschine. Die ersten Versuche und numerischen Simulationen lieferten vielversprechende Ergebnisse für den Einsatz dieser Verbundstützen in seismisch aktiven Regionen wie Südeuropa, Japan und Kalifornien. „Die innovativen Verbundstützen mit hochfesten Materialien sind eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung für den Geschossbau, weil sie große Lasten abtragen, weil kleine Stützenquerschnitte möglich sind und hohe Brandschutzanforderungen erfüllt werden können“, fasst Dennis Witteck die Ergebnisse zusammen. Die Hauptversuchsserie läuft zurzeit. Mit den Ergebnissen rechnen die Ingenieure im Laufe des Jahres 2021.