Forschungsförderung Zwei Sonderforschungsbereiche sind verlängert
Lernen und vergessen stehen im Mittelpunkt des einen, die Reduktion von CO2 bei Verbrennungsprozessen im Fokus des anderen.
Zwei Sonderforschungsbereiche (SFB) an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gehen in die nächste Förderphase: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte die zweite Förderphase für den SFB 1280 „Extinktionslernen“, an dem Forschende der RUB, der Universität Duisburg-Essen, der Philipps-Universität Marburg sowie des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund Ifado beteiligt sind. In die dritte Förderphase startet der SFB/Transregio 129 „Oxyflame – Entwicklung von Methoden und Modellen zur Beschreibung der Reaktion fester Brennstoffe in einer Oxyfuel-Atmosphäre“. Der SFB/TR 129 ist beheimatet an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen sowie an der RUB und der Technischen Universität Darmstadt.
Das Gehirn vergisst nichts
Der SFB 1280 „Extinktionslernen“ hat sich für die zweite Förderperiode große Ziele gesetzt: „Wir wollen in unserer Forschung von den Genen über das Gehirn bis zum Verhalten umfassend die Wirkmechanismen des Extinktionslernens verstehen“, erklärt Sprecher Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün, Inhaber des Lehrstuhls Biopsychologie der RUB. „Dabei wollen wir neue Methoden einsetzen beziehungsweise entwickeln, mit denen es möglich ist, die Geschehnisse im Gehirn während des Lernens von der einzelnen Zelle bis zum gesamten System zu verfolgen, experimentell zu manipulieren und mit computationalen Modellen zu simulieren.“ Aufgrund dieser Erkenntnisse will das Team neue therapeutische Möglichkeiten für Patientinnen und Patienten entwickeln, die unter Angststörungen oder chronischen Schmerzen leiden.
In den ersten vier Jahren der Förderung konnten die Forschenden in mehreren Bereichen mehr erreichen, als sie anfangs erwartet hatten. So konnten sie ihre These belegen, dass Gelerntes häufig nicht aus dem Gehirn ausradiert wird; das heißt, wir vergessen viel weniger als wir glauben. Stattdessen wird ein zweites Gedächtnis ausgebildet, das die Erinnerungen des ersten hemmt. Doch nicht nur das Ereignis selbst, sondern auch die Situation in der dieses Ereignis stattfand, wird mitgelernt. Wenn dieser Kontext plötzlich erneut auftaucht, fällt die Hemmung weg und wir erinnern uns schlagartig an eine Gegebenheit, die wir vergessen wähnten. „Deswegen ist es zum Beispiel bei Angstpatient*innen hilfreich, wenn in der Therapie ein Kontext vorliegt, der dem ähnelt, in dem die Angst regelmäßig auftaucht“, so Onur Güntürkün.
Der SFB hat die bisherige Karte, wo im Hirn Extinktionslernen stattfinden, erweitert und verändert. Insbesondere welche Aufgaben das bisher eher unbeachtete Kleinhirn leistet, haben die Forschenden neu definiert. Diese Erfolge resultieren aus den komplementären Expertisen eines Forschungsprogramms, in dem Expertinnen und Experten aus Psychologie, Neurologie, Biologie und theoretischer Neurowissenschaft ihr jeweiliges Fachwissen synergistisch einbringen. „Mit dieser Erfolgsformel können wir nun vier weitere Jahre forschen, um die Mechanismen des Extinktionslernens tiefer zu entschlüsseln und diese Erkenntnisse für klinische Interventionen zu nutzen“, freut sich Güntürkün.
Oxyflame: Klimaschutz dank negativer CO2-Emissionen
Die im Titel des SFB genannte reaktive Umsetzung in Oxyfuel-Atmosphäre ist eine Methode, um das bei der energetischen Nutzung kohlenstoffhaltiger Festbrennstoffe entstehende CO2 möglichst effizient und vollständig für eine Abscheidung vorzubereiten. Dazu erarbeiten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler validierte und generalisierte Modelle der Oxyfuel-Verbrennung von fester Biomasse in einer Atmosphäre, die im Wesentlichen aus CO2, O2 und H2O besteht. Zur Entwicklung von Methoden und Modellen standen in den ersten beiden Förderperioden fossile Brennstoffe im Vordergrund, während in der dritten Förderperiode nun der Fokus auf Biomasse liegt. Dieser regenerative Brennstoff ist CO2-neutral und erlaubt in Kombination mit CO2-Abscheidung und Speicherung beziehungsweise Nutzung „negative“ CO2-Emissionen. Dies ist absolut vordringlich, um die im Pariser Abkommen fixierten Klimaziele zu erreichen.
Neues Systemverhalten
Der Ersatz des Stickstoffanteils der Luft durch die bei hohen Temperaturen am Brennstoffpartikel sehr aktiven und strahlungswirksamen Komponenten CO2 und H2O hat ein völlig neues Systemverhalten zur Folge, das zu veränderten chemischen Umsatzraten, aber auch zu Instabilitäten sowie zu örtlichen Zünd- und Löscherscheinungen führen kann. Dies wirkt sich auf sämtliche Transportprozesse aus, wobei die zugrundeliegenden Größenskalen von der atomaren Skala – circa 0,1 Nanometer – bis zu den Abmessungen typischer Kesselanlagen – Größenordnung 10 bis 100 Meter – reichen. Zur Auflösung dieser Skalen und der Identifizierung der die Transportprozesse dominierenden Mechanismen werden innerhalb des SFB/Transregio sowohl Grundlagenexperimente wie auch Validierungsexperimente an Festbrennstoffflammen im Kraftwerksmaßstab durchgeführt. Die Modellbildung reicht von molekulardynamischen Simulationen über Ansätze, welche die Turbulenz ganz oder teilweise auflösen bis hin zur Multiskalen-Beschreibung des Gesamtsystems durch Large-Eddy-Simulationen (LES) unter Berücksichtigung der Einzelphänomene.
Die im SFB/Transregio erarbeiteten Simulationsmodelle und -methoden werden in der bevorstehenden dritten Projektphase in ein offen verfügbares Gesamtmodell, genannt „OxySim-129“, überführt. Das Modell soll Anlagenbauer und Kraftwerksbetreiber in die Lage versetzen, Brenner und Kraftwerkskessel schneller und günstiger planen und auslegen zu können. Passend zu diesem Anspruch wurde auch ein auf Erkenntnissen aus Oxyflame basierendes Transferprojekt mit einem Partner aus der Zementindustrie bei der DFG beantragt, um die Ergebnisse und Erkenntnisse des SFB/Transregio in der industriellen Praxis umzusetzen.