Chemie Molekulare Maschine im Nanocontainer
Was für ein Spielzeug: Ein winziger Kreisel, der in einer Zelle Platz hätte, und sich von außen steuern lässt.
Ein durch Licht fernsteuerbares molekulares Gyroskop haben die theoretischen Chemiker Dr. Chandan Das und Prof. Dr. Lars Schäfer von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam mit einem internationalen Team am Institute for Basic Science in Südkorea konstruiert. Darüber hinaus gelang es ihnen, die Rotationsbewegungen dieser synthetischen Nanomaschine mit Computersimulationen zu charakterisieren. Ihre Ergebnisse beschreiben die Autoren in der Fachzeitschrift „Chem“ – online veröffentlicht am 18. Januar 2022.
Navigation von Flugzeugen oder Satelliten
Maschinen, die in einem Käfig oder Gehäuse eingeschlossen sind, können interessante Eigenschaften aufweisen. Sie können etwa zugeführte Energie in programmierte Funktionen umwandeln. Ein solches System ist das mechanische Gyroskop. Dieses Spielzeug fasziniert mit seiner anhaltenden Drehung. Gyroskope finden auch praktische Anwendung, zum Beispiel in Navigationssystemen von Flugzeugen oder Satelliten und in drahtlosen Computermäusen. „Was diese Kreisel so vorteilhaft macht, ist nicht nur der Rotor, sondern auch das Gehäuse, welches den Rotor in eine bestimmte Richtung ausrichtet und ihn vor Hindernissen schützt“, beschreibt Lars Schäfer.
Auf molekularer Ebene arbeiten viele Proteine als biologische Nanomaschinen. Sie sind in jeder biologischen Zelle vorhanden und führen präzise und programmierte Aktionen oder Funktionen aus, ebenfalls innerhalb einer begrenzten Umgebung. Die Maschinen sind durch äußere Reize steuerbar. „Im Labor ist die Synthese und Charakterisierung solch komplexer Strukturen und Funktionen in einem künstlichen molekularen System eine große Herausforderung“, so Schäfer.
Aufbau wie ein Flaschenschiff
In Zusammenarbeit mit einem Team um Prof. Dr. Kimoon Kim am Institute for Basic Science in Pohang, Südkorea, gelang es nun, einen supramolekularen Rotor in einem würfelförmigen Porphyrin-Käfigmolekül einzuschließen. Der Einbau eines fertigen Rotors in solche Käfige wird typischerweise durch die begrenzte Größe der Käfigfenster erschwert. Um diese Herausforderungen zu überwinden, entwickelten die synthetischen Chemiker in Pohang eine neue Strategie, bei der zunächst eine lineare Achse in den Käfig eingeführt wird, welche dann mit einem Seitenarm modifiziert wurde, um einen Rotor zu konstruieren. „Das erinnert an den Bau eines Flaschenschiffes“, sagt Chandan Das, der zusammen mit Lars Schäfer molekulardynamische Computersimulationen durchführte, um die Rotationsbewegung des Rotors im Käfig in atomarem Detail zu beschreiben.
„Besonders fasziniert hat uns die Beobachtung unserer Kollaborationspartner, dass sich die Bewegung des Rotors im Käfig durch Licht als äußeren Reiz in Gang setzen und auch wieder abschalten ließ, wie mit einer Fernsteuerung“, beschreibt Schäfer. Dies erreichten die Forschenden dadurch, dass ein photoresponsives Molekül durch Licht im UV- und im sichtbaren Bereich von außen an den Käfig angedockt und wieder abgelöst werden konnte.
Wie sich das molekulare Gyroskop bewegt
Aber wie funktioniert das, und welche Bewegungen führt das molekulare Gyroskop aus, nachdem es auf diese Weise angeschaltet wird? „Molekulardynamische Computersimulationen zeigen, dass das Rotormolekül im Käfig eine stochastische Dynamik hat, die durch zufällige 90-Grad-Sprünge des Rotor-Seitenarmes von einer Seite des Würfels zu einer benachbarten Seite gekennzeichnet ist“, erklärt Chandan Das die Ergebnisse der theoretischen Berechnungen, die damit die spektroskopischen Beobachtungen erklären können.
Die Forschenden hoffen, dass das Konzept, molekulare Nanomaschinen in einem molekularen Käfig einzuschließen und ihre Funktionen fernzusteuern, zum Verständnis der Funktionsweise biologischer Nanomaschinen sowie zur Entwicklung intelligenter molekularer Instrumente beitragen wird.