Biochemie Wie ein Krebsgen Nervenzellen schützen kann
Basierend auf einem mutierten Proteinschalter könnte man ein neues Verfahren entwickeln, das Nervenzellen vor den Auswirkungen von Krankheiten wie Parkinson schützen kann.
Nervenzellen des erwachsenen Gehirns teilen sich nicht mehr. Gehen sie durch Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson zugrunde, sind sie verloren. Bochumer Forschende haben einen neuen Weg zu ihrer Rettung versucht. Sie konnten im Tiermodell zeigen, dass ein mutierter Proteinschalter, der eine Zellteilung induziert und das Absterben von Zellen verhindert, Nervenzellen schützen kann. In anderen Körperzellen sorgt die fehlerhafte Daueraktivierung dieses Schalters für Krebserkrankungen mit ihren typischen Zellwucherungen. Das Forschungsteam Dr. Sebastian Neumann, Dr. Konstantin Kuteykin-Teplyakov und Prof. Dr. Rolf Heumann hat daraus eine neue Methode zum Schutz der Nervenzellen abgeleitet, die am 6. März 2024 in der Zeitschrift International Journal of Molecular Sciences veröffentlicht wurde.
Auf der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten
Neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson sind bisher nicht heilbar. Forschende haben aber die Hoffnung, dass grundlegende Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen der Degeneration von Nervenzellen neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen könnten. Dazu erforschen sie einen zentralen Mechanismus der Signalweiterleitung von Faktoren, die von außen auf eine Zelle einwirken.
Wichtige Signalwege, die in allen eukaryotischen Zellen von der Hefe bis zum Menschen vorhanden sind, werden durch das Protein RAS ausgelöst. Bei Fehlregulation durch Mutation wird RAS dauerhaft aktiviert und somit zu einem Onkogen, da es an der Entstehung häufiger Tumorarten beteiligt ist. „Das RAS-Protein aktiviert innerhalb der Zelle die nachgeschaltete Signalkaskade, die eine Zellteilung verursacht und ein Absterben von überschüssigen Zellen verhindert. Beides kann zu einer für Krebs typischen Zellwucherung führen“, erklärt Rolf Heumann.
Eine Besonderheit des erwachsenen Gehirns besteht darin, dass sich Nervenzellen lebenslang nicht mehr teilen. Auch RAS-Aktivierung kann in ausgereiften Nervenzellen also keine Zellteilung mehr verursachen. „Dies führt zu der Frage, ob die in vielen Organen krebsbildende RAS-Wirkung zur Verhinderung eines krankhaften Absterbens von Nervenzellen angewendet werden kann“, so Heumann. Sein Team hat nachgewiesen, dass in entsprechenden Tiermodellen einer Maus eine krankhafte Degeneration von Nervenzellen im Gehirn durch dauerhafte Aktivierung des RAS-Proteins verhindert wird. „Das Verständnis der Mechanismen dieser durch RAS ausgelösten Schutzwirkung bei Nervenzellen könnte Informationen liefern, die zu neuen Therapieansätzen bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen beitragen“, meint Rolf Heumann.
Ein RAS-Mausmodell erlaubt ein vertieftes Verständnis
In der an der Ruhr-Universität entwickelten RAS-Maus ist selektiv in Nervenzellen des Gehirns zusätzlich zum normalen RAS-Protein ein dauerhaft angeschaltetes RAS-Protein vorhanden. Die dadurch erzeugte Aktivierung der nachgeschalteten Signalkaskaden verhindert weitgehend eine durch neurotoxische Behandlung oder durch Verletzung ausgelöste Degeneration von Nervenzellen in verschiedenen Gehirnregionen.
Um dem Mechanismus der Neuroprotektion auf die Spur zu kommen, fragten sich die Forscher, welche Proteine im Gehirn der RAS-Maus im Vergleich zum Wildtyp verändert sind. Eines der auffällig herabregulierten Proteine wurde als Membrankanal identifiziert. Die Forschenden konnten zeigen, dass die Reduzierung über den MAPK-Signalweg vermittelt wird. „Das Spannende dabei ist, dass dieser Membrankanal selektiv nur in der Zellmembran verringert in der RAS-Maus zu finden ist, während dieser Kanal in den Mitochondrien nicht herabreguliert ist“, so Sebastian Neumann.
Rolf Heumann resümiert: „Obwohl wir nicht ausschließen können, dass es weitere Mechanismen zum Schutz der Nervenzellen gibt, zeigen unsere Ergebnisse ganz deutlich die Relevanz des Kanals in der äußeren Zellmembran als ein Target für die Optimierung neuroprotektiver Anwendungen im klinischen Umfeld. Das ist ein vielversprechender Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung von Therapien für neurodegenerative Erkrankungen insbesondere im Rahmen der Zelltransplantation.“