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Rund 60 Millionen Wahlberechtigte gibt es in Deutschland. Etwa 47 Prozent von ihnen gaben bei der Bundestagswahl 2021 ihre Stimme per Briefwahl ab – das erzeugt viel zusätzlichen Aufwand.
Informatik Online wählen ohne mulmiges Gefühl
Wie lassen sich der Komfort einer Internetwahl und die Sicherheit einer Stimmabgabe auf Papier verbinden? Damit experimentieren IT-Sicherheitsprofis.
Wahlbenachrichtigung, Briefwahlunterlagen, Stimmzettel: Eine Bundestagswahl verschlingt tonnenweise Papier und erzeugt erheblichen organisatorischen Aufwand. Internetwahlen erscheinen in Deutschland aber in weiter Ferne. Das Vertrauen in Papier ist groß. Ob sich die Vorteile von Internet- und Papierwahlen kombinieren lassen würden, hat Prof. Dr. Karola Marky von der Ruhr-Universität Bochum mit Kolleginnen und Kollegen aus Darmstadt und Glasgow erforscht. Das Team dachte sich ein hybrides Wahlsystem aus, das den Komfort einer Internetwahl mit dem Vertrauen in Papier kombiniert, und testete, wie das System bei den Menschen ankommt.
Die Ergebnisse berichtet Karola Marky im Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität Bochum. Sie wurden zudem 2024 auf dem IEEE Symposium on Security and Privacy in San Francisco vorgestellt.
Die Vorteile von Internet und Papier kombinieren
Eine gut umgesetzte Internetwahl bietet einige Vorteile: Man kann beispielsweise von zuhause aus wählen, es braucht weniger Papier und weniger Wahlpersonal, und die Auszählung geht schneller. Ein Vorteil der Papierwahl hingegen liegt in der Archivierung. Stimmzettel, Protokolle und Begleitdokumente werden archiviert und können nachträglich nur schwer gefälscht werden. Das ermöglicht im Bedarfsfall auch eine Neuauszählung.
Um die Vorteile beider Wahlarten zu kombinieren, dachten sich Karola Marky und ihre Kooperationspartnerinnen und -partner ein Verfahren für eine hybride Stimmabgabe aus: Die wahlberechtigte Person füllt online von zuhause ihren Stimmzettel aus. Kommt sie an den Punkt der Stimmabgabe, wird sie zu einem Live-Video weitergeleitet. Hier kann sie beobachten, wie ein Drucker ihre gerade abgegebene Stimme ausdruckt. Natürlich nicht im Klartext. Was aus dem Drucker herauskommt, ist ein QR-Code, der eine Verschlüsselung der gewählten Partei enthält, sowie ein Zahlen-Code, der eine Art Tracking-ID darstellt, welche lediglich die wählende Person kennt. Den Livestream könnte man öffentlich zugänglich machen und so maximale Transparenz ermöglichen, während zugleich das Wahlgeheimnis gewahrt bliebe.
Verschiedene Verfahren im Vergleich
In einer Studie baten die Bochumer Forschenden 150 Personen, an einer simulierten Internetwahl teilzunehmen. 50 von ihnen gaben ihre Stimme ab und sahen am Ende des Prozesses lediglich eine Bestätigungsseite, dass die Stimme gezählt wurde. Weitere 50 wurden in einen Livestream weitergeleitet und konnten den Ausdruck des QR-Codes ihrer Stimme verfolgen. Die letzten 50 sahen ebenfalls einen Livestream, allerdings mit einem 3D-Druck-Verfahren, welches dieselben Informationen wie der oben beschriebene QR-Code 3D-druckt. Anschließend bewerteten die Teilnehmenden beispielsweise, wie vertrauenswürdig, wie sicher und wie gut nutzbar sie den Prozess fanden.
Das System mit Live-Ausdruck des QR-Codes empfanden die Teilnehmenden als signifikant vertrauenswürdiger verglichen mit dem Standardsystem ohne Livestream. Als marginal leichter bedienbar bewerteten sie hingegen das Verfahren ohne Livestream. „Weil das den gewohnten Prozess widerspiegelt“, vermutet Karola Marky. „Grundsätzlich sehen wir in unseren Studien, dass sich um die 60 bis 80 Prozent der Teilnehmenden Internetwahlen wünschen, egal, wie genau das Programm für die Stimmabgabe aussieht.“
Karola Marky betont, dass es noch einige Herausforderungen für das von ihr und ihrem Team erdachte System zu lösen gibt: An welchem Ort würden die QR-Codes gedruckt? Was ist, wenn der Strom ausfällt? Wie werden Probleme berichtet? „Dieses System ist noch viel zu unausgereift, und es wird vermutlich niemals genau so bei einer großen Wahl zum Einsatz kommen. Uns ging es darum zu erforschen, ob sich unser Vertrauen in Papier in eine Internetwahl integrieren lässt und wie Menschen auf ein solches hybrides System reagieren würden“, sagt sie.
Überhaupt argumentiert die Forscherin, dass es in Deutschland einen grundsätzlich anderen Umgang mit Standards für die Software-Entwicklung brauchen würde, bevor eine digitale Demokratie hierzulande möglich wäre.
Ausführlicher Artikel im Wissenschaftsmagazin Rubin