
Wassermoleküle spielen eine tragende Rolle bei vielen Reaktionen. Die Forschenden haben eine neue Methode entwickelt, die bislang unmögliche Beobachtungen mit extremer Zeitauflösung eröffnet.
Chemie
Thermodynamik im Millionstel einer Millionstel Sekunde
Die neuentwickelte Methode Terahertz-Kalorimetrie macht es erstmals möglich, die Rolle des Wassers in komplexen biologischen Prozessen experimentell zu untersuchen.
Forschende der Ruhr-Universität Bochum haben eine neue Methode entwickelt, mit der sie den Beitrag der Interaktion zwischen Wasser und Proteinen erstmals mit extremer Zeitauflösung sichtbar machen können: Terahertz (THz)-Kalorimetrie ermöglicht die Quantifizierung von Änderungen von fundamentalen thermodynamischen Größen, wie die Solvatationsentropie und -enthalpie im Zusammenhang mit biologischen Prozessen in Echtzeit. Die Forschenden um Prof. Dr. Martina Havenith-Newen, Sprecherin des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation – RESOLV –, berichten in der Zeitschrift Nature Reviews Chemistry vom 9. Mai 2025.
Fundamentale biologische Prozesse wie die Formation von Fibrillen – feiner, fadenförmiger Strukturen aus Bündeln von Protein-Filamenten und wesentlicher Bestandteil verschiedener Gewebe und Zellen –, die Proteinfaltung oder auch die Proteinaggregation als Zeichen neurologischer Erkrankungen sind Nichtgleichgewichtsprozesse. „Das heißt, dass sie durch geringe Änderungen der äußeren Bedingungen, zum Beispiel der Temperatur, initiiert werden können“, erklärt Martina Havenith. Obwohl alle diese Prozesse in einem Lösungsmittel, hier Wasser, ablaufen, wurde die Interaktion mit dem Wasser bisher vernachlässigt.
Havenith hat mit ihrem Team im Rahmen ihres Advance Grants des European Research Council „Terahertz (THz) calorimetry“ eine Methode entwickelt, die es erlaubt, thermodynamische Größen, die den Ablauf biologischer Funktionen bestimmen, aus spektroskopischen Messungen quantitativ abzuleiten.
Neuer Frequenzbereich erschlossen
„Damit können wir diesen Beitrag, der durch die Protein-Wasserinteraktion bestimmt wird, erstmals sichtbar machen“, so die Forscherin. Dazu führt das Team Messungen im sogenannten Terahertz-Bereich des elektromagnetischen Spektrums durch, einem Frequenzbereich, der früher experimentell nicht zugänglich war. Durch präzise spektroskopische Messungen und ein neues theoretisches Konzept konnten die Forschenden einen Zusammenhang zwischen den spektroskopischen Messdaten und thermodynamischen Größen wie etwa der Wärmekapizität oder der freien Energie aufdecken.
Damit wird es erstmals möglich, in Zukunft alle Vorteile von laserspektroskopischen Methoden zu nutzen. „So können wir zum ersten Mal mit einer extremen Zeitauflösung von einem Millionstel von einer Millionstel Sekunde Thermodynamik bei chemischen Reaktionen in Echtzeit untersuchen“, unterstreicht Martina Havenith. Außerdem ist die Vermessung in kleinsten Nanocontainern und in lokalen Hotspots für die Bildung von neurotoxischen Aggregaten erstmals möglich.